Werkzeugkoffer für komplexe Problemstellung

Der Korrosionsschutz von Multimetallsubstraten ist eine komplexe Problemstellung ohne universelle Antwort. In jedem neuen Werkstoffverbund-System sind deshalb die relevanten Wechselwirkungen vor dem Praxiseinsatz zu untersuchen.

REM-Aufnahmen der Oberfläche (links) und eines FIB-Schnittes (Querschnitt) einer Dünnschichtvorbehandlung auf Stahl mit Zink- Magnesium-Überzug. Die Schichtdicke der Konversionsschicht beträgt etwa 100 nm. Foto: Fraunhofer IPA
REM-Aufnahmen der Oberfläche (links) und eines FIB-Schnittes (Querschnitt) einer Dünnschichtvorbehandlung auf Stahl mit Zink- Magnesium-Überzug. Die Schichtdicke der Konversionsschicht beträgt etwa 100 nm. Foto: Fraunhofer IPA -

In verschiedenen Forschungsprojekten untersuchten Experten des Fraunhofer IPA Methoden zur Evaluierung neuer Systeme, um eine Vorhersage zur Performance von Korrosionsschutzsystemen auf Basis von Dünnschichtvorbehandlungen zu ermöglichen. Für sehr guten Korrosionsschutz auf Stahlsubstraten ist der Zinkphosphatierungsprozess seit Jahrzehnten Stand der Technik. Auf modernen Substratmaterialien mit steigenden Aluminium-Anteilen weist dieses Verfahren jedoch Schwächen auf. Hier zeigen neue Vorbehandlungsprozesse wie Dünnschichtvorbehandlungen erhebliche Vorteile.

Lineare Polarisation: Der anodische Ast (rechts) ist ein Maß für die Metallauflösung. Die untersuchten Vorbehandlungen verringern die Stromdichte gegenüber dem unbehandelten Stahl, was eine geringere Korrosionsneigung vermuten lässt. Grafik: Fraunhofer IPA

Lineare Polarisation: Der anodische Ast (rechts) ist ein Maß für die Metallauflösung. Die untersuchten Vorbehandlungen verringern die Stromdichte gegenüber dem unbehandelten Stahl, was eine geringere Korrosionsneigung vermuten lässt. Grafik: Fraunhofer IPA

Derartige zukunftsweisende Vorbehandlungen auf Basis von Ti/Zr-Oxiden ermöglichen in Kombination mit geeigneten Beschichtungen eine Verbesserung des Korrosionsschutzes von Multimetallsubstraten. Dünnschichtvorbehandlungen werden in der Regel in einstufigen Prozessen mit geringen Verweildauern auf die Substratmaterialien aufgebracht. Dies ermöglicht eine effiziente und kostengünstige Prozessführung, bei der zudem auf den Einsatz von CMR, giftigen oder umweltbelastenden Medien weitgehend verzichtet werden kann. Weiterhin sind die erzeugten Konversionsschichten dünn und somit ressourcenschonend. Neben klassischen Korrosionsschutzunter­suchungen setzten die Experten des Fraunhofer IPA in verschiedenen Forschungsprojekten u.a. wissenschaftliche Methoden ein, um den Einfluss der Dünnschichtvorbehandlungen auf die Korrosionsschutzwirkung auf unterschiedlichen Substraten zu bewerten.

Klassische Korrosions­schutzuntersuchungen

Weitere Analysemethoden:
  • Zerstörungsfreie Rasterkelvinsonde: Bestimmung der elektrochemischen Homogenität der Probe; je weniger lokale elektrochemische Poten­tialdifferenzen vorliegen, desto bessere Voraussetzung sind für den Korrosionsschutz gegeben
  • Cyclovoltammetrie und lineare Polarisation: Aussagen über elektrochemisches Verhalten der Konversionsschichten

Beim Einsatz klassischer Korrosionsschutzuntersuchungen können nur Systeme aus Substrat-Dünnschichtvorbehandlung plus Beschichtung untersucht werden. Bei typischen OEM Anwendungen werden hierfür KTL-beschichtete Proben untersucht. In einem Forschungsprojekt am Fraunhofer IPA kamen dabei eine verschärfte abgedeckte Freibewitterung, zyklische Korrosionstests, Kondenswassertest und Lagerungen in Elektrolyten zur Anwendung. Bei der Auswertung der Ergebnisse zeigte sich, dass je nach gewähltem Korrosionstest die Ergebnisse stark schwanken können. Daher ist es sinnvoll, vor dem Einsatz klassischer Korrosionsschutzprüfungen zur Evaluierung neuer Systeme genau zu überlegen, welche Anforderungen die Anwendung an die Materialien stellt. So zeigte sich in den durchgeführten Versuchen beispielsweise, dass verzinkte Stähle bei sehr hohen Salzkonzentrationen eine deutlich höhere Korrosion aufweisen als Stahlsubstrate, was im Feld nicht zu beobachten ist. Als geeignete Methoden zur Prüfung für OEM-Anwendungen mit milder Salzbelastung erwiesen sich hingegen der zyklische Korrosionstest nach VDA 233-102 und der Kondenswassertest.

Wissenschaftliche ­Untersuchungsmethoden

Fazit
In zwei von der Stiftung Stahlanwendungsforschung der FOSTA (Forschung Stahl) geförderten Forschungsprojekten wurden Dünnschichtvorbehandlungen untersucht. Hierbei kamen unterschiedliche Methoden zur Evaluierung der Konversionsschichten zum Einsatz. Der Korrosionsschutz mit diesen Vorbehandlungen auf Multimetallsubstraten wurde im Vergleich zum herkömmlichen Zinkphosphatierprozess untersucht. Als Multimetallsubstrate wurden Standard- und neue Substratmaterialien (u.a. Stahl, kalt- und warmgewalzt, verzinkte Stähle, Stahl mit Zink-Magnesium-Überzügen, Aluminium-Legierungen) eingesetzt.
An KTL-beschichteten Systemen wurden klassische Korrosionsschutzprüfungen, wie zyklische Korrosionstests (VDA 233-102, VDA 621-415), Kondenswassertest, verschärfte abgedeckte Freibewitterung und Lagerungen in Elektrolyten, durchgeführt. Wissenschaftliche Untersuchungsmethoden konnten direkt an den Konversionsschichten durchgeführt werden. Neben elektrochemischen Untersuchungen wurden Untersuchungen mittels hochauflösendem Rasterelektronenmikroskop an Oberflächen und Querschnitten (mittels FIB-Technologie) durchgeführt.

Unter wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zur Evaluierung der Schutzwirkung von Dünnschichtvorbehandlungen werden u.a. elektrochemische Methoden und die Untersuchung mittels Rasterelektronenmikroskopie (REM) verstanden. Diese Untersuchungsmethoden bieten den Vorteil, dass die Konversionsschichten unmittelbar nach ihrer Applikation und ohne Beschichtung untersuchbar sind. Somit können sie für eine erste Abschätzung des Korrosionsverhaltens herangezogen werden. Mittels REM der Oberfläche und an Querschnitten, durchgeführt mittels FIB-Technologie, können die Homogenität der Konversionsschichten und deren Anbindung an das jeweilige Substratmaterial gut untersucht werden. Somit sind mögliche Ursachen für Haftungsprobleme, die zu einem schlechten Korrosionsschutz führen, identifizierbar.

Elektrochemische Analysen

Neben den strukturellen Untersuchungen kann über verschiedene elektrochemische Methoden die prinzipielle Schutzwirkung von Konversionsschichten ermittelt werden. Elektrochemische Methoden an Konversionsschichten sind allerdings bisher nur als Relativmethoden einsetzbar.
Es muss also immer ein System mit bekanntem Korrosionsverhalten und zusätzlich das Substrat ohne Vorbehandlung unter den gleichen Versuchsbedingungen untersucht werden, um zu bewerten, ob neue Systeme bessere Voraussetzungen für den Korrosionsschutz schaffen oder nicht.

Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart,
Dr. Michael Hilt, Tel. + 49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de,
Dr. Christina Bauder, Tel. +49 711 970-3869, christina.bauder@ipa.fraunhofer.de,
Dr. Ulrich Christ, Tel. +49 711 970-3861, ulrich.christ@ipa.fraunhofer.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung

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