Pistolenlose Pulverbeschichtung
Die Technik wurde im Rahmen eines europäischen Forschungsvorhabens der AIF e.V. CORNET (Collective Research Networking) für den Einsatz in einer teilindustriellen Coilcoating-Anlage eines Forschungsinstituts in Belgien (CRM) gerüstet. In Lüttich kommt ein Demonstrator für Coilbreiten von bis zu 250 mm zum Einsatz. Produktionsähnliche Versuche bei CRM mit Aluminium-Substraten mit einer Dicke von ca. 1 mm wurden Ende 2017 durchgeführt. Das neue Vorhaben hat die Weiterentwicklung der Dauerlauffähigkeit der Technik bei konstant hoher optischer Verlaufsqualität und Schichtdickengleichmäßigkeit im Fokus. Zudem sind die Anforderungen an die Umformbarkeit zu verbessern. Die Weiterentwicklungen des elektrostatischen Fluidisierbetts für diesen Einsatzzweck betreffen insbesondere folgende Punkte:
- Optimierungen der Hochspannungstechnik hinsichtlich des produktionsähnlichen Betriebs, u.a. dynamische Änderung der Feldstärke mittels gepulster oder andersartig modulierter Hochspannung
- Modulierung strömungstechnischer Parameter, dadurch Minimierung raumladungsbedingter Störungen des optischen Verlaufs der Pulverlackschicht
- Reduzierung der Zündladung auf 200 nC, dadurch Vermeidung von Zündgefahren und kostspieliger sicherheitstechnischer Maßnahmen
- Verbesserung der Schichtdickenhomogenität und der optischen Verlaufsqualität durch die Vermeidung bipolar geladener elektrostatischer Agglomerate im Fluidisierbett
Nach der kompakt gestalteten Applikationstechnik, die derzeit bei CRM in die bestehende Coilcoating-Anlage mit Pulver-Zudosierung, lüftungstechnischen Anlagen, Pulver-Filterung und ggf. Rückgewinnung integriert ist, wurde dort die schnelle Temperaturbehandlung mittels mittelwelliger elektrischer Keramikstrahler implementiert. Aus Platzgründen erfolgt die Temperaturbehandlung in senkrechter Ausrichtung, das Coil wird nach der Pulverbeschichtung waagerecht von unten nach oben in die Senkrechte umgelenkt. Das Fluidisierbett mit Randabsaugung und der Peripherie ist annähernd baugleich zum Aufbau am Fraunhofer IPA in Stuttgart. Dieser Aufbau lässt allerdings nur diskontinuierliche, keine Endlosprozesse zu. Für das zukünftige Forschungsvorhaben soll zudem eine Füllstandsregelung integriert werden, bei der mittels einer Dichtstrompumpe nachdosiert und damit der Füllstand auf einem konstanten Level gehalten wird.
Temperatureinfluss
Aus dem beschichteten Coil werden an Stanzlingen Inchpound-Tests (rechts oben) und „echte“ Umformtests durchgeführt.
Forschungen des Fraunhofer IPA zeigen, dass sich das Aufschmelzen und Vernetzen von Pulverlackschichten bei geringeren Strahlertemperaturen und größerer Strahleroberfläche günstig auf die Beschichtungsqualität auswirkt. Dies ist bei Einsatz mittelwelliger Keramikstrahler der Fall. Durch Wärmeisolierung kann die geregelte Strahlertemperatur auf unter 700 °C abgesenkt und die Energieeffizienz erheblich verbessert werden. Reflexionserscheinungen bei der Temperaturbehandlung heller Farbtöne sind bei mittelwelligen Strahlertypen im Vergleich zu kurzwelligen Strahlern wesentlich unkritischer, da das Spektrum vom sichtbaren Licht weiter entfernt ist. Auf Infrarot-Additive im Pulverlack kann in vielen Fällen beim Einsatz von mittelwelligem Infrarot verzichtet werden. Dies zeigen Versuche mit einem Polyuretdion-basierten hochreaktiven Niedertemperaturpulver des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden IPF. Dieses entwickelten die Experten speziell für die hohen Anforderungen an die Umformbarkeit im Zusammenhang mit den Precoatingprozessen. Um zu vermeiden, dass Restwärme aus dem aufgewärmten Substrat zur Nachvernetzung der Pulverschicht und somit zum Verkleben des Coils führt, ist eine Temperaturbehandlung nötig. Die Behandlungsdauer in der Kühlzone vor dem Aufwickeln des Coils liegt allerdings bei nur etwa 20 s. Die hinsichtlich des Precoatingprozesses kritischste Zielgröße beim pulverbeschichteten metallischen Substrat ist die Umformbarkeit. Diese testen Mitarbeiter des Fraunhofer IPA im Technikumsmaßstab durch den Inchpound-Test bei einer Schlagbelastung von 160 inchpound. Die Verifizierung erfolgt am Fraunhofer IWU mit „echten“ Umformtests.
Einbrennfenster
Bei steigender Strahlertemperatur und damit steigender Leistungsdichte wird zwar die Temperaturbehandlungsdauer geringer, das Einbrennfenster aber gleichzeitig immer kleiner. Dies kann dazu führen, dass bei sehr hohen Strahlertemperaturen und eventuell dem Einsatz von IR-
Additiven kein Einbrennfenster mehr identifizierbar ist. Dies gilt, wenn die Oberfläche der Pulverlackschicht nach der Temperaturbehandlung bereits thermisch geschädigt, der Untergrund aber nicht bzw. noch nicht ausreichend chemisch vernetzt ist. Dieses Verhalten zeigt sich entweder bereits beim Inchpound-Test im Technikum oder spätestens bei den produktionsähnlich gestalteten Umformtests.
Die produktionsähnlichen Versuche bei CRM zeigen die prinzipielle Dauerlauffähigkeit der entwickelten Technik bei konstant hoher optischer Verlaufsqualität und Schichtdickengleichmäßigkeit.
Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart,
Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de;
Markus Cudazzo, Tel. +49 711 970-1761, markus.cudazzo@ipa.fraunhofer.de;
Dr.-Ing. Karlheinz Pulli, Tel. +49 711 970-1125, karlheinz.pulli@ipa.fraunhofer.de,
www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung
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