Kantenschutz von Pulverbeschichtungen verbessern

Pulverbeschichtungen nehmen vor allem wegen ihrer Lösemittelfreiheit an Bedeutung zu. Doch der z.T. unzureichende Korrosionsschutz an Kanten ist nach wie vor ein entscheidendes Manko dieser Technologie. Ein Forschungsprojekt untersucht nun die Möglichkeiten für einen verbesserten Kantenschutz, die gleichzeitig Arbeitsschritte und Ressourcen einsparen sollen. Ein Zwischenbericht.

Die Grafik stellt die Prozessschritte beim Pulverbeschichten dar; oben ist der herkömmliche Verfahrensablauf -

Um den Kantenschutz von Pulverbeschichtungen zu verbessern, nutzen viele Betriebe Pulver mit gutem Kantenabdeckungsvermögen. Pulverbeschichtungen mit glattem Verlauf und hohen Glanzgraden (Glanzgrad > 70 bei 60°) besitzen prinzipiell ein geringes, Strukturpulverlacke ein gutes Kantenabdeckungsvermögen. Vom Markt werden jedoch glatt verlaufende Pulverbeschichtungen mit hohem Glanzgrad und gleichzeitig guter Kantenabdeckung gefordert. Dem stehen aber die stofflichen Eigenschaften glatter Pulverbeschichtungen gegenüber: Der hohe Glanzgrad von Pulverbeschichtungen nach dem Einbrennen wird durch die niedrige Viskosität und das Verlaufen während der Aufschmelz- und Filmbildungsphase bei Temperaturbeaufschlagung des Pulvers im Ofen erreicht. Dies hat die starke Kantenflucht mit den daraus resultierenden Korrosionsproblemen zur Folge. Die maßgeblichen Faktoren dafür sind die Oberflächenspannung und die Schmelzviskosität des flüssigen Lackes, wie die Forschung belegt hat. Stand der Technik ist bislang die Verwendung eines zusätzlichen Kantenschutzpulvers bzw. eines Grundpulvers. Für höherwertige Korrosionsschutzanforderungen werden ab einer Korrosivitätskategorie von „C3, Schutzdauer hoch“ zweischichtige Pulverbeschichtungen empfohlen.

INFO

Das Thema „Möglichkeiten der Verbesserung des Korrosionsschutzes pulverbeschichteter Bauteile durch einmaliges Einbrennen von zwei Pulverschichten mit unterschiedlichen Eigenschaften“ wird am 19. November von 10.00 bis 11.00 Uhr im Rahmen der Online-Veranstaltung besser lackieren. live vertieft. Es referiert Jens Lorenz, Niederlassungsleiter bei der Briloner Leuchten GmbH. Im Fokus stehen Möglichkeiten für einen verbesserten Kantenschutz, die gleichzeitig Arbeitsschritte und Ressourcen einsparen sollen.

Vincentz Network, Hannover, Marko Schmidt, Tel. +49 511 9910-321, marko.schmidt@vincentz.net, http://besserlackieren.de/Veranstaltungen/besser-lackieren.-live

Defizite bei klassischem Zweischicht-Aufbau kennen

Bei der Herstellung von zweischichtigen Pulverbeschichtungen wird seriell bzw. nacheinander gearbeitet. Das heißt, nach Applikation des Grundpulvers erfolgt das Einbrennen, oft auch Vorgelieren genannt, danach die gleichen Arbeitsschritte noch einmal für das Deckpulver. Bei diskontinuierlichem Einbrennen der Pulverschichten mittels Kammerofen sowie beim kontinuierlichen Einbrennen der Pulverschichten in einem Durchlaufofen muss das Bauteil zweimal den Prozess des Einbrennens der Pulverbeschichtung durchlaufen, was unwirtschaftlich und kostenintensiv ist. Zudem ist auch bei zweischichtiger Applikation mit zwei Einbrennvorgängen nicht immer abgesichert, dass eine gute Kantenüberdeckung mit der Pulverbeschichtung vorhanden ist. Die neue Produkt- und Verfahrenstechnologie, die im Rahmen des Forschungsprojekts zu entwickeln ist, soll mit nur einem Einbrennvorgang auskommen, wobei zwei Pulverschichten nacheinander (Pulver auf Pulver) appliziert werden sollen, die unterschiedliche Eigenschaften haben. Das Grundpulver muss ein gutes Kantenabdeckungsvermögen besitzen, das Deckpulver über einen hohen Glanzgrad – wenn gefordert von größer 70 Einheiten (60°) – verfügen. Eine alleinige Erhöhung der Schichtdicke reicht – zumindest bei Verwendung einer glänzenden Pulverbeschichtung – nicht aus, um eine ausreichende Kantenabdeckung, insbesondere an scharfkantigen Schnittkanten, zu erreichen. Die glänzende Pulverbeschichtung muss demnach mit einem geeigneten Grundpulver quasi „unterfüttert“ werden, damit die Kantenflucht des glänzenden Deckpulvers gehemmt wird. Im Gegensatz zur herkömmlichen Technologie von zweischichtigen Pulverbeschichtungen (zweimaliges Durchlaufen der Applikations- und Härtungszone) sollen mit der zu entwickelnden Methode (Applikation von Pulver auf Pulver mit einmaliger, nachgeschalteter Einbrennzone) die Vorteile einer zweischichtigen Pulverbeschichtung mit nur einem Einbrennvorgang erreicht werden. Mit dieser Verfahrensvariante lassen sich enorme Kosten sparen.

Voraussetzungen für die Pulver-auf-Pulver-Technologie

Um die Problemstellung zu lösen, müssen Grund- und Deckpulver prinzipiell miteinander verträglich sein, im Einzelnen ist darunter folgendes zu verstehen:

Bei dieser zweischichtigen Pulverbeschichtung auf einem verzinkten Stahlblech (Epoxidharz-Grundpulver + Polyesterharz-Deckpulver) ist die geringe Kantenabdeckung deutlich erkennbar.

Bei dieser zweischichtigen Pulverbeschichtung auf einem verzinkten Stahlblech (Epoxidharz-Grundpulver + Polyesterharz-Deckpulver) ist die geringe Kantenabdeckung deutlich erkennbar.

Mangelhafte Kantenabdeckung führte zur Schnittkantenkorrosion an dieser pulverbeschichteten Entlüfterhaube.  Quelle: Briloner Leuchten GmbH

Mangelhafte Kantenabdeckung führte zur Schnittkantenkorrosion an dieser pulverbeschichteten Entlüfterhaube. Quelle: Briloner Leuchten GmbH

  1. Das Grund- und das Deckpulver müssen nach­einander in ausreichender Schichtdicke in der Verfahrensvariante Pulver-auf-Pulver applizierbar sein. In automatischen Pulverapplikationsanlagen, so genannten Pulverzentren, können dabei enorme Probleme durch Pulververschleppungen entstehen.
  2. Während der Aushärtung bzw. während der Filmbildung im Ofen darf die Durchmischung der beiden Pulverschichten nicht zu intensiv sein, damit der Farbton und die wetterbeständigen Eigenschaften der Deckbeschichtung nicht beeinträchtigt werden.
  3. Es dürfen keine Fehlstellen, durch Benetzungsstörungen oder ausgelöst durch Abspaltung von Wasser bei Verwendung HAA-vernetzender Polyesterharze, im Beschichtungsfilm des Deckpulvers erkennbar sein.
  4. Zwischen Grund- und Deckpulver muss nach dem Einbrennen eine ausreichende Haftfestigkeit vorhanden sein (kein adhäsives Versagen).
  5. Die Kantenflucht der neuen Verfahrenskombination muss gering, die Kantenabdeckung bedeutend besser als bei Standardvarianten sein.

Im Labor erfolgten umfangreiche Applikationsversuche zur Auswahl geeigneter Verfahren bzw. Verfahrenskombinationen. Dabei hat sich eine Kombination aus elektrostatischer und Tribo-Aufladung als besonders geeignet herauskristallisiert. Für eine ausgewählte Pulverkombination aus Grund- und Deckpulver wurden ebene Blechproben pulverbeschichtet und nachfolgend einmalig eingebrannt. Für die gewählte Pulverkombination hat sich gezeigt, dass folgende Einzelschichten einzuhalten sind:

  • Grundpulver: 40-60 µm
  • Deckpulver: 100-120 µm

Diese Schichtdicken können z.B. mittels Keilschnittprüfung gemessen werden. Zur genauen Ermittlung der Einzelschichtdicken wurden metallografische Querschliffe angefertigt. Auf den Querschliffaufnahmen ist neben den Einzelschichten des Grund- und Deckpulvers eine gewisse Durchmischung der beiden Pulverlackschichten zu erkennen. In vergleichenden infrarotspektroskopischen Untersuchungen auf dem Deckpulver konnte dort aber keine Verunreinigung durch Anteile der Grundierung nachgewiesen werden. In der Draufsicht unter bestimmten Betrachtungswinkeln zeigte sich jedoch bei den Pulver-auf-Pulver-Proben noch eine leichte Oberflächenstörung/Mattierung des Deckpulvers, die man durch Glanzmessungen im Winkel 20° am ehesten erfassen kann.

FAZIT

Für höherwertige Korrosionsschutzanforderungen ab einer Korrosivitätskategorie von „C3 mäßig, Schutzdauer hoch“ ist in der Regel die Ausführung zweischichtiger Pulverbeschichtungen empfehlenswert. Unter bestimmten Bedingungen kann damit ein besserer Korrosionsschutz an Schnittkanten erreicht werden, was die Bauteilqualität insgesamt steigert. Ein besseres Kantenabdeckungsvermögen bei zweischichtigen Pulverbeschichtungen kann aber nicht immer erreicht werden, insbesondere dann, wenn glatte, glänzende Oberflächen gefordert sind. In einem Vorgängerprojekt wurde u.a. festgestellt, dass Strukturpulverbeschichtungen im Gegensatz zu glänzenden Pulverbeschichtungen ein vorteilhaftes Kantenabdeckungsvermögen besitzen. Strukturpulverbeschichtungen besitzen aber auch spezielle Additive, die die Zwischenhaftung zum darüber liegenden Deckpulver stören können. Mit dem Forschungsprojekt soll nun einerseits die Pulver-auf-Pulver-Technologie für die Herstellung von zweischichtigen Pulverbeschichtungen mit nur einem Einbrennvorgang entwickelt werden. Gleichzeitig soll eine verbesserte Kantenüberdeckung mit den Pulverbeschichtungen durch die Kombination von zwei Pulverbeschichtungen mit unterschiedlichen Eigenschaften/Aufgaben erreicht werden. Die ersten Untersuchungsergebnisse im Labor und unter produktionsnahen Bedingungen zeigten, dass eine Pulver-auf-Pulver-Applikation mit der entwickelten Kombination aus Grund- und Deckpulver mit einem nachfolgenden Einbrennvorgang funktioniert. Weitere Detailarbeiten mit komplizierten Bauteilgeometrien sowie unter Großserienbedingungen müssen noch erfolgen. Die Arbeiten zum Thema „Entwicklung eines zweischichtigen Pulverbeschichtungssystems für einmaliges Einbrennen nach der Applikation Pulver auf Pulver“ werden aus Haushaltsmitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Programm „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) gefördert. Für diese Förderung und Unterstützung sei, im Namen aller Projektbeteiligten, gedankt.

Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbH, Dresden, Dr. Jörg Gehrke, Tel. +49 351 871-7110, joerg.gehrke@iks-dresden.de, www.iks-dresden.de;

Briloner Leuchten GmbH, Brilon, Jens Lorenz, Tel. +49 37349-13420, j.lorenz@briloner.de, www.briloner.de;

Ganzlin Beschichtungspulver GmbH, Ganzlin, Stefan Sommer, Tel. +49 38737 303-0, s.sommer@ganzlin.com, www.ganzlin.com

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