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Ist der Kochtest zu hart?

Die Ergebnisse eines aktuellen Forschungsvorhabens zum Korrosionsschutz von Pulverbeschichtungen auf voranodisiertem Aluminium zeigen, dass der Kochtest die im Praxiseinsatz möglichen Belastungen deutlich überzeichnet. Die Aussagefähigkeit dieser Prüfmethode ist deshalb in Frage zu stellen.

Die Abbildung zeigt wichtige Einflussgrößen auf Haftfestigkeit und Korrosionsschutz von Pulverbeschichtungen auf anodisiertem Aluminium. Quelle: Fraunhofer IPA -

Ausgangspunkt für dieses Forschungsvorhaben war das Auftreten von Ausfällen beim etablierten Kochtest (Wassertauchtest bei 100 °C / 2 h) im Rahmen der GSB-Zulassungsprüfungen für Pulverlacke neuester Generation mit TGIC-Ersatzhärtern auf voranodisiertem Aluminium. Dies führte zu erheblichen Problemen bei den Qualitätsprüfungen bei vielen Lohnbeschichtern. Die GSB International hat daraufhin beschlossen, den Kochtest zur Haftungsprüfung bis auf weiteres unter Beobachtung zu stellen und die Bearbeitung eines Forschungsprojekts zu dieser Problemstellung angeregt. Im Rahmen dieses vom fem (Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie) und dem Fraunhofer IPA durchgeführten Projekts wurden die Einflussgrößen auf die Haftfestigkeit und den Korrosionsschutz von Pulverlacken auf anodisiertem Aluminium untersucht und bewertet. Im besonderen Fokus des Projekts standen Pulverlack- bzw. Pulverbeschichtungseigenschaften, da diese bisher kaum Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen waren. Die Abbildung zeigt die wichtigsten Einflussgrößen bei den Verbundpartnern Aluminium und Pulverbeschichtung. Die daraus für dieses Projekt abgeleiteten Untersuchungen umfassten kommerzielle Pulverlacke für den GSB-Bereich sowie Modellpulverlacke bekannter Zusammensetzung auf Basis von Polyestern, die mit ß-Hydroxyalkylamid bzw. Glycidylester gehärtet werden.

FAZIT DER UNTERSUCHUNGEN

Es kann ausgesagt werden, dass der Kochtest in der Anwendung bei Pulverbeschichtungen auf voranodisiertem Aluminium die im Praxiseinsatz möglichen Belastungen hinsichtlich der Beanspruchungs- und materialspezifischen Faktoren deutlich überzeichnet. Unter dessen Bedingungen treten an beiden Haftpartnern in der Grenzzone Veränderungen ein. Die Aluminiumoxidschicht wird durch Oxidhydratbildung partiell verdichtet, was zu einer Schwächung der Haftung führen kann. Die Pulverbeschichtungen sind bei 100 °C weit oberhalb der Tg, also im gummielastischen Bereich, mit signifikant erhöhter WDD. Die Filmsättigung mit Wasser und der Durchtritt zur Grenzfläche zum Substrat ist unter diesen Bedingungen bereits nach wenigen Minuten erreicht. Extraktionsvorgänge niedermolekularer Anteile in die Grenzfläche sowie auch partielle Verseifung der Polyestermoleküle unter Katalyse von Schwefelsäureresten aus der Anodisation könnten ablaufen, was zur Schwächung des Haftverbundes führen kann. In die Praxis übertragbare Prüfergebnisse erhält man in der Regel dann, wenn die Wirkungsfaktoren zur Simulation der Beanspruchung durch die Testbedingungen nicht oder nur geringfügig gegenüber denjenigen im Praxiseinsatz überhöht sind.  Förderhinweis: Das Forschungsvorhaben 16442N des Vereins für das Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie e.V. (fem) und das Fraunhofer IPA, wurde im Programm zur Förderung der „Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie über die AiF finanziert.

Spülbedingungen wichtigste Einflussgröße

Als wichtigste Einflussgröße seitens der Substratoberfläche auf die Haftfestgkeit ergab sich der Spülprozess nach der Anodisierung. Die Spültemperatur und dauer beeinflusst die Morphologie und chemische Zusammensetzung der Anodisationsschicht aufgrund der chemischen Umwandlung der Oxidschicht. Insgesamt begünstigen höhere Spültemperaturen die Haftfestigkeit der Pulverbeschichtungen, wozu auch der Effekt der besseren Extraktion der Restschwefelsäure aus den Poren beiträgt, was sich durch Leitwertmessung nachweisen ließ. Aus den Ergebnissen der untersuchten Pulverlacke in der Schmelze ergaben sich folgende Rückschlüsse auf die Haftung und den Korrosionsschutz: Ein hoher disperser Anteil der Oberflächenenergie, ein niedriger Kontaktwinkel und ein niedrig liegendes Viskositätsminimum bei relativ großem Verlaufsfenster der Pulverlackschmelze begünstigen die Benetzung der Pulverlackschmelze und die Nasshaftung der Pulverbeschichtungen. An den Pulverbeschichtungen und an freien Filmen der Beschichtungen wurden die Barriereeigenschaften gegenüber dem Wassertransport in die Grenzfläche zum Substrat bei möglichst hoher Temperatur untersucht und diese mit der Nasshaftung beim Kochtest und dem Korrosionsschutz korreliert. Es zeigt sich eine Relation zwischen dem Haftverhalten beim Kochtest, der Wasserdampfdurchlässigkeit (WDD) und der Kinetik der Wasserabsorption: gut haftende Systeme weisen eine niedrige WDD und eine hohe Halbwertszeit der Wasserabsorption bei 70 °C auf. Die WDD der Filme ist stark temperaturabhängig und zeigt oberhalb der Glasübergangstemperatur (Tg) der Beschichtungsfilme signifikant höhere Werte als bei niedrigerer Temperatur (38 °C). Ebenso erreicht die Wasseraufnahme bei T > Tg deutlich schneller den Sättigungswert (ca. 20 min / 70 °C) als bei niedrigeren Temperaturen. Diese Ergebnisse korrelieren jedoch nicht mit den Ergebnissen der Korrosionstests (gemäß GSB) sowie auch nicht mit dem VDA-Wechseltest. Mittels dynamisch-mechanischer Analyse wurde an freien Filmen der Beschichtungen Tg im trockenen und nassen Zustand bestimmt. Bei allen untersuchten Pulverbeschichtungen führte die Einwirkung von Wasser zu einer drastischen Absenkung der Glasübergangstemperatur (Tg trocken: Niveau von 72 – 84 °C) um 10 °C bis 18 °C. Damit verhalten sich die Pulverlackfilme im Kochtest gummielastisch, was mit einer starken Beschleunigung des Transports von Wasser in die Grenzfläche zum Substrat verbunden ist. Die aus oberflächenenergetischen Messungen errechnete thermodynamische Adhäsionsarbeit war bei allen untersuchten Pulverbeschichtungen hoch, was bestätigt, dass eine gute Haftfestigkeit – auch bei Freibewitterung und nach dem Kondenswassertest, vorliegt. Die Pulverbeschichtungen zeigten sowohl im Ausgangszustand als auch nach thermozyklischer Belastung bis zu 70 °C eine gute Barrierewirkung gegenüber Elektrolyten (gemessen mit der Elektrochemischen Impedanzspektroskopie (EIS)). Grenzflächenuntersuchungen vor und nach Enthaftung der Beschichtungen nach demKochtest zeigten Mischbrüche, also kein rein adhäsives Versagen, sondern Anteile innerhalb der grenzflächennahen Pulverbeschichtung.

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de, Dr. Ulrich Christ, Tel. +49 711 970-3861, ulrich.christ@ipa.fraunhofer.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung

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