Innovatives Verfahren ermöglicht die Pulverbeschichtung von Werkstücken aus Kunststoff

Bislang konnten ausschließlich elektrisch leitende Werkstoffe pulverbeschichtet werden – für Kunststoffe war eine elektrostatische Beschichtung daher nicht durchführbar. Gemeinsam mit der Hochschule Offenburg hat die Schneider Oberflächentechnik GmbH jetzt ein neues Verfahren entwickelt, das die Pulverlackierung auch bei Kunststoffen und Kunststoff-Verbundmaterialien ermöglicht. Das Verfahren wurde bereits zum Patent angemeldet.

Die grundierten Kunststoffteile können mit Standardverfahren gepulvert und eingebrannt werden. Quelle (drei Fotos): Schneider Oberflächentechnik -

Schneider Oberflächentechnik aus Lahr im Schwarzwald ist als Lohnbeschichter auf Pulverlackbeschichtungen und Nasslackierungen vor allem für Kunden aus der Kunststoff- und Automobilindustrie spezialisiert. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Johannes Vinke, der an der Hochschule Offenburg im Bereich Maschinenbau und Werkstofftechnik lehrt und forscht, entwickelte Geschäftsführer Harald Schneider die Idee, die Pulverlackierung auch für Standard-Kunststoffe anwendbar zu machen. In einem gemeinsamen zweijährigen Forschungsprojekt erprobten sie, wie Standard-Thermoplaste für eine elektrostatische Pulverbeschichtung aufbereitet werden können. „Wir haben nach einer neuartigen und effizienten Möglichkeit gesucht, die zudem noch einfach in bestehende Produktionsabläufe zu integrieren sein sollte“, erklärt Prof. Vinke. Im Fokus der Forscher stand die Entwicklung eines beständigen Haftvermittlers, der ohne Verwendung von leitfähigen, meist metallischen Zusätzen auskommt. Zudem war die hohe Qualität, Stabilität und Beständigkeit der Pulverlackierung am Produkt für Vinke und Schneider maßgeblich. Zwar gab es zuvor schon eine Möglichkeit, Kunststoffe mit Pulverlack zu beschichten. Aber dazu musste ein Kunststoff oder ein Primer mit leitfähig machenden Additiven eingesetzt werden. Denn erst durch das Additiv konnten die dann leitenden Artikel elektrostatisch mit Pulverlack beschichtet werden. „Es gab seinerzeit allerdings nur ein einziges Kunststoffgranulat eines Herstellers auf dem Markt, das sehr teuer war. Darüber hinaus existierten keine Erfahrungswerte über die Anwendungs- und Alterungseigenschaften oder geprüfte Verarbeitungsbedingungen. Vor diesem Hintergrund entstand unsere Erfindung“, so Prof. Vinke.

Die Welt der Küchen- und Haushaltsgeräte könnte mit dem neuen Verfahren bald bunter ausfallen.

Die Welt der Küchen- und Haushaltsgeräte könnte mit dem neuen Verfahren bald bunter ausfallen.

Das neu entwickelte Pulverlackierverfahren kann völlig neue Märkte erschließen und auch für Möbelteile eingesetzt werden.

Das neu entwickelte Pulverlackierverfahren kann völlig neue Märkte erschließen und auch für Möbelteile eingesetzt werden.

Primer ohne leitfähige Zusätze

Harald Schneider ist von dem neuen Verfahren begeistert: „Das Spannende daran ist, dass wir nun einfach unseren Haftvermittler auf die gereinigte Kunststoffoberfläche aufbringen können, ohne leitfähige Zusätze verwenden zu müssen. Anschließend können wir den Pulverlack nach dem Standardverfahren auftragen und einbrennen.“ Dabei wird der Pulverlack durch elektrostatisches Spritzen auf den zuvor mit dem Primer beschichteten Kunststoffgegenstand aufgetragen. Eine Sprühpistole mit Corona- oder Tribo-Unterstützung sorgt für die Aufladung des Pulvers. Das Verfahren funktioniert mit Niedrigtemperaturlacken, aber auch mit den Standardtemperaturlacken, wie beispielsweise warmhärtenden Polyester- oder Epoxidharzen bzw. Mischungen derselben. Ihre Partikelgröße liegt zwischen 0,5 und 100 µm. Die Versuche wurden übrigens mit Pulver von Pulverit und Pulvercoat durchgeführt, wie Schneider berichtet: „Die Lackhersteller versorgten uns auch tatkräftig mit Mustermaterial.“ Das neu entwickelte Verfahren erschließe völlig neue Märkte, so Schneider, weil sich so auch Kunststoff-Werkstoffe beschichten lassen, die im Vergleich zu Metallen nicht leitfähig und weniger temperaturbeständig sind. So können in Zukunft alle Standard-Thermoplaste wie beispielsweise PVC, Polyamid und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) beschichtet werden. Die Welt der Küchen- und Haushaltsgeräte könne bald viel bunter ausfallen, und auch in der Automobilindustrie sowie bei Möbeln und in der Gartengestaltung werden neue Möglichkeiten eröffnet.

5 FRAGEN AN…

Professor Dr. Johannes Vinke, Lehrstuhl für Maschinenbau und Werkstofftechnik, Hochschule Offenburg

Professor Dr. Johannes Vinke

Professor Dr. Johannes Vinke

Wie kamen Sie auf die Idee für dieses Verfahren?

In einem Gespräch berichtete mir Harald Schneider, dass es bislang nur eine einzige, sehr teure Möglichkeit gäbe, Kunststoffe zu pulvern – eben mit jenem Granulat, das leitfähig machende Additive enthält, sodass elektrostatisches Lackieren möglich wird. Das war der Auslöser, darüber nachzudenken, ob sich nicht etwas Neues entwickeln ließe, was die Oberflächen für den Pulverlack aufbereitet und auch noch einfach zu verarbeiten ist. So kam es zu dem gemeinsamen Forschungsprojekt.

Wie lange hat die Umsetzung gedauert?

Das Forschungsprojekt „Niedertemperatur Pulverbeschichtung für Nichtmetalle“ wurde für zwei Jahre bewilligt, wobei zunächst einmal ein Markt-Screening durchgeführt wurde. Das reine Forschen bis zur Entwicklung hat ungefähr ein Jahr in Anspruch genommen.

Wie werden die Standard-Thermoplaste konkret für die Pulverbeschichtung aufbereitet?

Wir haben eine flüssige Beschichtung aus organischen Siliziumverbindungen entwickelt. Diese Flüssigkeit, der Primer, polarisiert die Oberfläche und ist sehr einfach zu applizieren.

Wie hoch ist die Einbrenntemperatur?

Sie liegt bei maximal 170 °C – das hängt vom jeweiligen Pulverlack ab.

Haben Sie inzwischen weitere Anwender gefunden?

Wir haben im Moment zwei potenzielle Anwendungen, an denen wir die Serienreife erarbeiten. – und suchen nach wie vor weitere Projekte.

INFO

Anwender gesucht!

Die Firma Schneider Oberflächentechnik ist bereits in der Lage, das neue Lackierverfahren auf dem Markt anzubieten, Geschäftsführer Harald Schneider ist mit verschiedenen Kunden im Gespräch. „Vor allem mit Spritzguss und bei temperaturbeständigen Materialien haben wir gute Ergebnisse erzielt“, sagt er. „Wir können mittlerweile sogar dreidimensional pulvern. Und das Ergebnis ist wirklich überzeugend gut!“ Schneider hat in seinem Betrieb eine kleine Musteranlage gebaut und nutzt diese für Versuche und Tests. Nun sucht er Kunden, mit denen er gemeinsam kleine Projekte und kleine Serien produzieren kann, um die Qualität der Beschichtung am Produkt zu zeigen. „Wir müssen Erfahrungen sammeln. Denn den berühmten Feinschliff kann man erst direkt am Objekt machen.“ Derzeit arbeitet das Unternehmen mit der Design-Firma Atelier Schneeweiß an Objektmöbeln der Firma Hiller zusammen. „Es gibt aber noch viele andere Anwendungsideen, die wir in Kleinserie testen wollen. Toll wäre Spielzeug, aber auch Möbel oder Haushaltsgeräte würden sich für diese kleinen Projekte sehr gut eignen.“

ZIM-Forschungsprojekt

„Niedertemperatur-Pulverbeschichtung für Nichtmetalle“ Das Projekt ist im Rahmen eines ZIM-Förderprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) entstanden. Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand sollen die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, einschließlich des Handwerks und der unternehmerisch tätigen freien Berufe, nachhaltig unterstützt und damit ein Beitrag zu deren Wachstum verbunden mit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen geleistet werden. Mit Unterstützung der Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH wurde das neu entwickelte Verfahren zum Patent angemeldet.

Schneider Oberflächentechnik GmbH, Lahr, Harald Schneider, Tel. + 49 7821 9170-0, harald.schneider@s-lack.de, www.s-lack.de;

Hochschule Offenburg, Offenburg, Fakultät Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Prof. Dr. Johannes Vinke, Tel. +49 781 205-235, vinke@hs-offenburg.de, www.hs-offenburg.de;

Technologie-Lizenz-Büro (TLB) GmbH, Karlsruhe, Annette Siller, Tel. +49 721 790-040, asiller@tlb.de, www.tlb.de

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