Ableitfähige Pulverlackschichten charakterisieren
Das Forschungsprojekt entstand, da elektrisch ableitfähige Pulverlackbeschichtungen in der Praxis eine ständige Herausforderung darstellen. Die zugesicherte Eigenschaft, nämlich eine über das Beschichtungsteil gleichmäßige, innerhalb der geforderten Werte liegende elektrische Ableitfähigkeit kann oft nicht gewährleistet werden. Dies führt beim Kunden potentiell zum Funktionsversagen, verbunden mit Reklamationen, Regressansprüchen, Nachlieferungen und Lieferverzögerungen.
Risiko beschränkt den Markt
Aufgrund dieses hohen Risikopotenzials ist die Marktpenetration eingeschränkt. Dabei wären die Möglichkeiten in Bereichen wie der Photovoltaik und der Halbleiterbranche enorm groß. Diese Märkte gehen mit sensiblen elektronischen Bauteilen um, die bei der Herstellung und Verarbeitung auf ESD-Arbeitsplätze und ESD-Lagersysteme angewiesen sind. Im aktuellen Forschungsprojekt werden deshalb einerseits traditionell mit Leitruß gefüllte Pulverlacke (Farbton schwarz bis grau), andererseits mit Kohlenstofffasern gefüllte dekorative Farben getestet und entwickelt. Zur Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit werden z.T. bereits mit Leitadditiv extrudierten Pulverlacken im Dry-Blend-Verfahren weitere Anteile an Leitadditiv zugemischt. Andererseits werden zum Vergleich auch elektrisch isolierende Pulverlacke im Dry-Blend-Verfahren mit Leitadditiven versetzt, um den Oberflächenwiderstand unter einen sicheren Grenzwert von 109 Ω abzusenken. Beschichtungen mit einem Oberflächenwiderstand bis 109 Ω, gemessen bei 23 °C und 50% relativer Luftfeuchte, gelten nach TRGS 727 als ableitfähig. Die Verwendung von Leitruß im Bereich unterhalb 1,5 Gew.-% erfüllt diese Forderung bei weitem und ist mittels der elektrostatischen Pulverbeschichtung prozesssicher zu beschichten. Für die Applikation dekorativer Farben kommen i.d.R. Kohlenstofffasern (Bild 1) zum Einsatz. Um keine nennenswerten Farbton-Verfälschungen zu erhalten, muss die Konzentration an Kohlenstofffasern auf 1,5% begrenzt werden. Die Beschichtungen mit diesem Material weisen im Gegensatz zu Leitrußen ein anisotropes Verhalten auf.
Bild 2: Die Grafik erlaubt die Interpretation des Widerstands an pulverbeschichteten Oberflächen. |
Bild 3: Nach der Widerstandsmessung auf einer elektrostatisch pulverbeschichteten und temperaturbehandelten Pulverlackmischung mit 1% Faseranteil ist ein deutlicher Krater zu sehen. |
Hochpräzise Messungen
Dies zeigen die Messergebnisse am Fraunhofer IPA, die zunächst mit einem hochentwickelten, nicht für den Produktionsalltag tauglichen Megaohmmeter durchgeführt wurden. Mit diesem sind zwischen 1 und 1500 V bei Strömen ab 0,5 pA bis 20 mA Strom/Spannungskurven erzeugbar. Auch zeitliche Veränderungen des elektrischen Widerstands, beim Einsatz von Fasern wesentlich bedeutender als beim Einsatz von Leitruß, können beispielsweise mit einer Federzungen- oder Ringelektrode untersucht werden. Die Luftfeuchtigkeit wird im Labor auf konstant definierten Werten gehalten. Eine gute Kontaktierung und ein ausreichend großer Anpressdruck auf die Probe sind dabei gewährleistet. Die mit Leitruß versetzten Pulverlacke zeigen über einen gewissen Spannungsbereich ein näherungsweise Ohm’sches Verhalten, der Strom steigt also proportional mit der Spannung. Bereits bei einer Prüfspannung von über 15 V erfolgt im Fallbeispiel (Bild 2) eine Art Durchbruch, der durch einen überproportionalen Stromanstieg gekennzeichnet ist. Der Oberflächenwiderstand sinkt dabei von ca. 25 kΩ auf unter 1 kΩ ab. Diese Schichten sind meist erheblich leitfähiger als es die Norm verlangt. Somit würde eine im Rahmen des ZIM-Projektes zu entwickelnde kostengünstige Messtechnik mit nur einer einzigen, niedrigen Spannung (ohne Aufnahme einer Strom/Spannungskurve) zur Kontrolle vor Ort beim Beschichter völlig ausreichen.
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Verhalten mit Fasern
Im Gegensatz dazu zeigt die Pulverbeschichtung mit der Faser-Mischung kein Ohm‘sches Verhalten. Bei kleinen Prüfspannungen bis ca. 200 V ist noch kein Strom messbar (Grenzwert 0,5 pA), die Schicht also elektrisch hochisolierend. Bis 600 V sinkt der Widerstand kontinuierlich auf 30 kΩ ab. Kein Problem könnte man meinen, da nennenswert energiereiche Funkenentladungen sowieso erst bei wesentlich höheren Spannungen erfolgen. Dem ist jedoch nicht so, denn viele Messgeräte arbeiten anlehnend an die „DIN EN 600 79-32-2 Explosionsgefährdete Bereiche“ mit einer festeingestellten Prüfspannung von 500 V. Im Fallbeispiel hätte bei dieser Spannung die Oberfläche mit 150 GΩ einen viel zu hohen Widerstand. Zieht man zusätzlich in Betracht, dass Temperatur und Luftfeuchtigkeit, Struktur des Pulvers, Schichtdicke sowie zeitliche Messwertschwankungen das Messergebnis verfälschen, dann handelt es sich bei einer solchen Einzelmessung eher um ein Zufallsergebnis. Ein weiterer Sachverhalt erschwert die Interpretation des Messergebnisses: Bei den hohen Spannungen führt die Messung häufig zu einer thermischen Schädigung aufgrund der lokal hohen Feldstärke im Bereich der Faser (Bild 3, mikroskopische Aufnahme). Würde an derselben Messstelle zweimal gemessen oder auch in dem Fall, wenn die Messdauer zu lang wird, dann sinkt der gemessene Widerstand erheblich ab, da die Isolierwirkung des Bindemittels verloren geht.
Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de, Markus Cudazzo, Tel. +49 711 970-1761, markus.cudazzo@ipa.fraunhofer.de, Cathleen Joachimi, Tel. +49 711 970-1776, cathleen.joachimi@ipa.fraunhofer.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung
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