Forschung am Hochrotationszerstäuber

Bei der Karosserielackierung ist die Hochrotationszerstäubung mit Elektrostatik ein längst für nahezu alle Lackiervorgänge etabliertes Applikationsverfahren. Aktuelle Forschungen sollen nun herausfinden, wie viel Potenzial auch für andere Anwender in dieser Technologie steckt und wie Lackierfehler vermieden und die Effizienz gesteigert werden können bei gleichzeitiger Vereinfachung für den Betreiber.

Grafik 1: Lackzerstäubung bei variablen Betriebsparametern und axialer Beobachtung (links: Simulation
Grafik 1: Lackzerstäubung bei variablen Betriebsparametern und axialer Beobachtung (links: Simulation -

Am weitesten verbreitet als Applikationstechnik in der Lackiertechnik ist die Spritzlackierung. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) setzen häufig nach wie vor die Druckluftzerstäubung ein, obgleich sie aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht nicht mehr den heutigen Möglichkeiten entspricht. Der Auftragswirkungsgrad (Effizienz der Lackmaterialnutzung) eines Druckluftzerstäubers liegt bei nur ca. 50%, d. h. die Hälfte des eingesetzten Lackmaterials geht als so genannter Overspray verloren und muss aufwändig entsorgt werden. Zusätzlich schlägt auch die anspruchsvolle Kabinentechnik (vor allem Zu- und Abluft) zu Buche, die zur Entfernung des Oversprays nötig ist. Die elektrostatisch unterstützte Hochrotationszerstäubung ist eine Methode, mit der bei guter Geräteeinstellung, je nach Lackierobjekt, ein Auftragswirkungsgrad von bis zu 90% erreicht werden kann. Weitere Vorteile sind eine sehr gute Beschichtungsqualität hinsichtlich optischem Erscheinungsbild und Homogenität. Der reduzierte Overspray erlaubt zudem höhere Standzeiten in der Lacknebelabscheidung. In der Automobilindustrie wurden inzwischen nahezu alle Druckluft-Spritzlackiervorgänge durch die Hochrotationszerstäubung ersetzt. In anderen Branchen ist die Hochrotationszerstäubung dagegen noch nicht weit verbreitet. Neben den Investitionskosten liegt der Grund darin, dass für einen effizienten Einsatz dieser komplexen Technik nach dem derzeitigen Stand der Technik sehr viel Know-how erforderlich ist. Von der Industrie werden konkret folgende Praxisprobleme ge­nannt:

Bild 2: Hochgeschwindigkeitsaufnahme der Strömung auf dem Glockenteller eines Hochrotationszerstäubers.

Bild 2: Hochgeschwindigkeitsaufnahme der Strömung auf dem Glockenteller eines Hochrotationszerstäubers.

  • Schwierig zu realisierende Anpassung der Zerstäuberparameter an komplexe, geometrisch begrenzte Werkstücke
  • Gefahr der Zerstäuberverschmutzung mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die Lackierqualität
  • Notwendigkeit, bei sehr anspruchsvollen Lackmaterialien, wie z.B. Effektlacken, Applikationsparameter einzustellen, die zu einer deutlichen Reduktion des Auftragswirkungsgrades führen
  • Auftreten von Fehlern in der applizierten Lackschicht, u.a. Pinholes, die auf eine unzureichende Zerstäubung zurückzuführen sind
  • Beschränkungen in der Lackausbringmenge und damit hohe Taktzeiten, verbunden mit hohem Energieaufwand der Kabinen­konditionierung

PROJEKTINFORMATION

Das Fraunhofer IPA hat gemeinsam mit der Hochschule Esslingen im April diesen Jahres das Forschungsprojekt „Ressourceneffiziente Beschichtung mithilfe innovativer Hochrotationszerstäuber“ gestartet, das bis August 2018 laufen wird. Das Projekt wurde über die Deutsche Forschungs­gesellschaft für Oberflächenbehandlung e.V. (DFO) in Kooperation mit der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. bei der AiF Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. als industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) eingereicht und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) unter dem Förderkennzeichen 19097 N gefördert. Das Projekt begleiten 25 Firmen aus dem Bereich Lackhersteller, An­lagenentwickler und Lackanwender im Automotiv- und Nicht-Automotiv-Umfeld. Ziel des Projekts ist es, den Zerstäubungsprozess bei der Hochrotation besser zu verstehen, um damit Lackierfehler zu vermeiden und flexibler und einfacher in der Anwendung zu werden.

Die Zerstäuberentwicklung geschieht aktuell weitgehend empirisch, deshalb ist eine systematische Anpassung der Zerstäuber an die jeweiligen Aufgabenstellungen noch nicht realisiert. Grundvoraussetzung für eine innovative Vorgehensweise bei der Zerstäuberentwicklung ist, dass der Prozess besser verstanden wird. Die Fortschritte in der numerischen Beschreibung fluiddynamischer Prozesse, die zunehmende Leistung moderner Hochleistungsrechenzentren und neue Generationen an Hochgeschwindigkeitskameras erlauben erst jetzt, diesen Zerstäubungsvorgang numerisch und experimentell mit erforderlichem Detaillierungsgrad zu beleuchten.

Aufnahmen mit der Hochgeschwindigkeitskamera

Der erste Schritt in einem neuen Forschungsprojekt (Kasten) besteht darin, ein Modell für die Benetzung des Glockentellers zu entwickeln. Dazu werden numerische Berechnungen auf der Basis der „Volume of Fluid“-Simulation durchgeführt (Bild 1).Die Strömungsgeschwindigkeit und Dicke des Lackfilms an der Glockenkante sind relevant für die Zerstäubung. Gerade bei der Diskussion über mögliche Lufteinschlüsse spielen Details wie die Strömung des Lacks von der Verteilerscheibe auf den Glockenteller eine Rolle. Natürlich dürfen die Untersuchungen nicht nur am Rechner stattfinden, Beobachtungen der realen Glocke werden ebenfalls durchgeführt, wie z.B. Aufnahmen mit der Hochgeschwindigkeitskamera (Bild 2). In den weiteren Schritten wird das Fraunhofer IPA mit der Hochschule Esslingen den Zerstäubungsprozess und die Auswirkungen auf das Lackierergebnis beschreiben. Die Berechnung der Schichtdicken auf dem Lackierobjekt ist schon in vielen Projekten erfolgreich durchgeführt worden, so dass die beiden Methoden miteinander kombiniert werden sollen.

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de; Dr. Oliver Tiedje, Tel. +49 711 970-1773, oliver.tiedje@ipa.fraunhofer.de;

Prof. Dr. Joachim Domnick, Tel. +49 711 397-3531, joachim.domnick@hs-esslingen.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung

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