Die Feinheiten der ­Hochrotationsglocke

Beim Robotereinsatz ist die Hochrotationsglocke das Mittel der Wahl für optimale Lackier-Ergebnisse. Die beiden Technikschüler Kristijan Widmann und Jonathan Höfer von der Gottlieb-Daimler-Schule 1 in Sindelfingen bekamen bei der Firma LacTec in Rodgau die Chance, den Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf das Endergebnis systematisch zu untersuchen.

Die Versuche dokumentierten sie auch mit der Videokamera. Quelle (drei Bilder): Höfer/Widmann -

Konkret sollte die Arbeit einen Beitrag dazu leisten, Verständnis für die einzelnen Parameter und Veränderungen des Spritzbildes bei einem Hochrotationszerstäuber zu erlangen. Ein weiteres Ziel war es, direkte Vergleiche zu Schichtdicken und zu Schichtbreiten anzustellen.

Versuche im Laboratorium

In einer Praxisphase im April 2015 reisten Höfer und Widmann nach Rodgau, wo ihre Betreuer von LacTec, Dr. Felix Brinckmann und Dr. Thomas Scholz, ihnen Gelegenheit gaben, ihre Versuchsreihen durchzuführen. Die Versuchsplanung sah vor, die charakteristischen Parameter des Lacksystems, wie die Viskosität und den Festkörperanteil zu ermitteln. Zum Einsatz kam ein wasserbasierter Lack der Firma Akzo Nobel, die das Projekt ebenfalls förderte, im Farbton „Deepblack“. Alle Versuche wurden mit einem LacTec „LabPainter“ der Baureihe „QC703“ durchgeführt, der in einer Testkabine zur Verfügung stand.

Untersuchte Parameter an der Hochrotationsglocke

Ausgehend von einem definierten Standardbrush ohne Hochspannung, untersuchte das Duo als Parameter den Lenkluftvolumenstrom (innen und außen), den Lackvolumenstrom, die Verfahrgeschwindigkeit, die elektrostatische Unterstützung (Hochspannung) und die Drehzahl des Zerstäubers. Als Zerstäubereinheit kam bei den Versuchsreihen die „PicoBell HiBlow II“ mit einer 55-mm-Glocke von LacTec zum Einsatz. Die Versuche erfolgten auf eine transparente Folie über die der Spritzstrahl mit einem Röntgenbildbetrachter ausgewertet wurde. Auf speziellen Blechen ermittelten Höfer und Widmann die Schichtdicke und die Schichtbreite über einen SB50-Wert. Zusätzlich hielten sie während der Applikation die Ausbildung des Sprühkegels mit einer Videokamera zu detaillierten Auswertungszwecken fest. Mit einer beachtlichen Menge an Daten und Aufnahmen reiste das Duo zurück nach Sindelfingen. 40 Arbeitstage dauerte es, die Ergebnisse auszuwerten und zu strukturieren, dabei standen ihnen nicht nur ihre LacTec-Betreuer zur Seite, sondern auch ihr betreuender Lehrer Dr. Stephan Scheiper.

Bei den Versuchen arbeiteten sie im Labor mit einem „LabPainter QC703“ von LacTec.

Bei den Versuchen arbeiteten sie im Labor mit einem „LabPainter QC703“ von LacTec.

Jonathan Höfer (links) und Kristijan Widmann (rechts) ­erforschten in ihrer Abschlussarbeit die Spritzergebnisse der Hochrotationsglocke.

Jonathan Höfer (links) und Kristijan Widmann (rechts) ­erforschten in ihrer Abschlussarbeit die Spritzergebnisse der Hochrotationsglocke.

Ergebnisse zu Lenkluft, Drehzahl und Tropfengröße

So stellten sie zum Beispiel im Ergebnis fest, dass mit Erhöhung der Lenkluft nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich eine höhere oder breitere Schicht erzielen lässt, sondern sich die Effekte der Lenklüfte deutlich ändern können. Bei der Drehzahl war ein extrem starker Einfluss auf die Tropfengröße festzustellen und die Erkenntnis, dass ein kleiner Tropfen nicht zwangsläufig ein gleichmäßiges Ergebnis erzielt. Mit der Materialmenge ist nicht direkt eine höhere Schichtdicke zu erzielen, sondern es machen sich die Auswirkungen in der Schichtbreite bemerkbar. Unabhängig von den Brush-Parametern kann auch bei der Roboterprogrammierung darauf geachtet werden, dass der Abstand ein wichtiger Parameter zur vollständigen Ausbildung eines Spritzstrahles darstellt. Wird er zu weit gewählt, kann das eine Verringerung der Effizienz bedeuten.

Geschwindigkeit als Mittel zur Schichtdickeneinstellung

Der zweite Roboterparameter, die Geschwindigkeit, lässt sich hingegen eindeutig als geeignetes Mittel zur Schichtdickeneinstellung nutzen, dürfte aber aus wirtschaftlicher Sicht hinsichtlich der Taktzeit an Produktionsanlagen für Diskussionen sorgen. Alle Parameter wurden ebenso mit angelegter Hochspannung betrachtet. Dabei stellten Höfer und Widmann fest, dass die Elektrostatik viele Faktoren egalisiert und manche positiven wie auch negativen Effekte der einzelnen Einflussgrößen glätten kann. Bei der Überlappung einzelner Bahnen macht die Elek­tro­statik die Arbeit deutlich einfacher, da die Schichtdickenprofile erkennbar flacher und breiter ausfallen.

Raum für weitergehende Forschungsarbeiten

Am Ende stand bei den beiden Technikschülern auch ein leises Bedauern, das Thema nicht noch weiterverfolgen zu können. Viele spannende Fragestellungen lassen sich noch aus den Ergebnissen entwickeln, aber der erfolgreiche Abschluss des Projekts mit der öffentlichen Präsentation der Arbeit Anfang Juni in Sindelfingen machte aus den beiden Schülern wieder Berufstätige, die bei Erscheinen dieses Artikels bereits neue Aufgaben in der Industrie übernommen haben – Höfer als Projektleiter bei acp, Widmann als Bereichsleiter der Oberflächentechnik in einem metallverarbeitenden Betrieb. Für das Unternehmen LacTec hat die Arbeit einen ganz konkreten Nutzen. Die Firma kann die Ergebnisse bei der Schulung von Mitarbeitern und Kunden einsetzen.

Gottlieb-Daimler-Schule 1, Sindelfingen, Jonathan Höfer, Tel. +49 1575 3495490, JHoefer@gmx.de, Kristijan Widmann, Tel. +49 173 9475200, kristijan.widmann@gmail.com, www.gds1.de

LacTec GmbH, Rodgau, Dr. Thomas Scholz, Tel. +49 6106 8447-24, thomas.scholz@lactec.com, www.lactec.com

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