Prozesseinflüsse auf die Lackhaftfestigkeit

Experten des Fraunhofer IPA haben in aktuellen, systematischen Versuchen für verschiedene Lackaufbauten und unterschiedliche Substrate den Einfluss der Applikations- und Trocknungsbedingungen auf die resultierende Haftfestigkeit der Lackschichten untersucht.

Mit einem Hochrotationszerstäuber führten die Wissenschaftler Versuche durch. Foto : Fraunhofer IPA
Mit einem Hochrotationszerstäuber führten die Wissenschaftler Versuche durch. Foto : Fraunhofer IPA -

Im Lackierprozess können die Zerstäubungsfeinheit, die Abdunst- und die Trocknungsbedingungen den Gehalt an Wasser und organischen Lösemitteln im Film beeinflussen und somit für die Haftfestigkeit relevant sein. Weiterhin haben diese Parameter auch Einfluss auf die Diffusion von Lackkomponenten durch die Schichten und führen damit zu veränderten Eigenschaften in den Grenzschichten. Eine gute Haftfestigkeit bildet die Voraussetzung für alle weiteren funktionalen Eigenschaften eines Beschichtungsaufbaus. Um die Parametereinflüsse studieren zu können, müssen die Parameter gezielt variiert und kontrolliert werden können. In den durchgeführten Versuchen kam sowohl „nasse“ als auch „trockene“ Applikation zur Anwendung. Bei der Lacktrocknung wurden die Effekte der Feuchte, Temperatur und Anströmgeschwindigkeit näher betrachtet. Wichtig war dabei eine reproduzierbare Versuchsdurchführung mit Robotern, definiertem Kabinenklima und Trocknerbe­dingungen sowie die Dokumentation mittels Ofenschreiber, Luftströmungsmessungen, Pro­tokollierung von Feuchte und Temperatur, außerdem die durchgängige Aufzeichnung des Lackgewichts.

Zu verschiedenen Zeitpunkten im Prozess wurden Proben von den nachfolgend genannten analytischen Methoden zugeführt, um den Prozess mit den Materialeigenschaften zu korrelieren. Versagen der Haftfestigkeit kann u.a. mit dem Hoch­druckwasserstrahltest ge-
prüft werden. Dabei können unterschiedliche Versagensmechanismen auftreten:

  • Kohäsionsbruch im Kunststoffsubstrat oder in einer Lackschicht
  • Adhäsionsbruch zum Substrat
  • Adhäsionsbruch zwischen den Lackschichten

Diese Versagensmechanismen haben unterschiedliche Ursachen. Analytische Messverfahren können zur Bewertung der ursächlichen Prozesseinflüsse herangezogen werden.

Karl-Fischer-Titration

Bei nicht ausreichender Durchtrocknung eines wasserbasierten Lacks kann es zum Kohäsionsbruch in der Lackschicht kommen. Um den Einfluss auf die Basislack-Trocknung zu bewerten, kann u.a. der verbleibende Wasseranteil der ausgehärteten Basislackschicht dienen. Dieser weist je nach eingestellten Trocknungsparametern einen Wert zwischen 1-6% auf. Der Wassergehalt ist mit der sensitiven, coulometrischen Karl-Fischer-Titration in Kombination mit der Ofentechnik bei 120-160 °C gut erfassbar.

Gaschromatographie

Infrarotspektren von Basislack-Mikrotomschnitten zur Analyse der Isocyanat-Durchdringung durch den Klarlack-Härter.

Infrarotspektren von Basislack-Mikrotomschnitten zur Analyse der Isocyanat-Durchdringung durch den Klarlack-Härter.

Qualitative GC-MS-Untersuchungen erlauben eine Aussage darüber, ob und welche Lösemittel nach Trocknung im ausgehärteten Beschichtungsaufbau verbleiben. Durch den Abgleich mit der Lösemittelzusammensetzung der einzelnen Lacke kann ein Verdacht formuliert werden, welche der Schichten nicht ausreichend getrocknet wurde. Des Weiteren ist nach Kalibrierung einer Auswahl von Lösemitteln mit der MHE-Methode (Multiple Headspace Extraction) der verbleibende Gehalt dieser Lösemittel in der ausgehärteten Beschichtung in Abhängigkeit der Trocknungsparameter quantitativ bestimmbar. Für die Untersuchungen zur Durchtrocknung eines Basislacks wurden beispielsweise die Lösemittel Isobutanol (Siedepunkt 108 °C), Butylglykol (171 °C) und 2-Ethylhexanol (185 °C) ausgewählt. Diese Auswahl repräsentiert aufgrund der Siedepunkte sowohl die niedrig siedenden als auch die höher siedenden Fraktionen, da diese sich bezüglich der Trocknungsparameter unterschiedlich verhalten können. Durch die quantitative Bestimmung des Restlösemittelgehalts sind die kritischen Trocknungsparameter identifizierbar. Es bietet sich an, diese Ergebnisse mit den Karl-Fischer-Ergebnissen zu korrelieren, da durch die Kombination die Gesamtfeuchte (Wasser + Lösemittel) im System erfassbar ist. 

Infrarotspektroskopie

Das Verfahren ist zur Kontrolle der Durchhärtung einsetzbar, wenn Reaktionsbanden im Spektrum gut abgrenzbar sind. Bei Haftversagen kann eine derartige Analyse der Delaminationsstellen aufklären, ob es sich um einen Kohäsions- oder Adhäsionsbruch handelt. Im Falle von 2K-Lacksystemen ist ferner das Mischungsverhältnis der beiden Komponenten in der Beschichtung nach vorhergehender Kalibration bestimm- bzw. kontrollierbar. V.a. für Automobillackierungen ist zudem interessant, inwieweit der Härter aus dem Klarlack in die Basislackschicht vordringt. Durch Kombination von Mikrotomie-Präparation und Infrarotspektroskopie wurde gezeigt, dass bei dünnerer Basislackschicht die Durchdringung mit Isocyanat aus dem Klarlack bis zur untersten Basislackschicht erfolgt, während bei höherer Basislackschichtdicke eine deutliche Abnahme der Isocyanat-Komponente beobachtet wird, s. Grafik.

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Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart,
Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de,
Dr. Oliver Tiedje, Tel. +49 711 970-1773, oliver.tiedje@ipa.fraunhofer.de,
Dr. Katharina Weber, Tel. +49 711 970-3831, katharina.weber@ipa.fraunhofer.de,
www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung

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