Lackierfehler durch Additive
Im Vergleich zum unbehandelten Zustand führt die Laborreinigung durch Nachmigration zu keiner dauerhaften Reduktion der löslichen Anteile (Additive). Fotos/Grafiken: Fraunhofer IPA
Neue Erkenntnisse zeigen, dass trotz geringer Einsatzmengen Kunststoffadditive durchaus problematisch für die Haftung Substrat/Beschichtung sein können. Hat man bei partieller Lackenthaftung bisher den Fokus vor allem auf die Optimierung der Oberflächenaktivierung gelegt, so spricht vieles dafür, dass die Ursache bei Haftungsproblemen anteilig auch in der „inneren Kontamination“ durch migrierfähige Additive begründet ist. Dies ist u. a. für klassische Außenanbauteile wie Stoßfänger und Schweller auf Basis von Polypropylen (PP/EPDM-Blends) zu beachten, die im Spritzgussverfahren hergestellt werden. Sie erfordern für eine gute Verarbeitbarkeit und Beständigkeit Additive wie Thermostabilisatoren, Fließhilfsmittel und Formtrennmittel. Grundvoraussetzung für eine gute Lackhaftung ist eine saubere, fettfreie Oberfläche, ohne jegliche partikulären und filmischen Verunreinigungen. Für die Reinigung werden verschiedene Verfahren angewandt. Bei der Powerwash-Reinigung handelt es sich um ein nasschemisches Reinigungsverfahren, bei dem die Werkstücke mit zumeist wässrig-alkalischen Reinigungslösungen über Spritzdüsen mit Druck und Temperatur beaufschlagt, danach mit destilliertem Wasser abgespült und in einem Umlufttrockner von Haftwasser befreit werden. Es steht zur Diskussion, ob sich die hohe Temperatur nachteilig auf das Migrationsverhalten der Additive auswirkt. Das CO2-Schneestrahlreinigungsverfahren ist ein trockener Reinigungsprozess. Der Reinigungseffekt soll u.a. darauf beruhen, dass die niedrige Temperatur (-78 °C) des CO2-Schnees die Verschmutzung versprödet und nachfolgende Partikel des CO2-Schnees mit ihrer hohen kinetischen Energie den Schmutz ablösen. Da der CO2-Schnee als Reinigungsmedium rückstandsfrei vom festen Zustand in die Gasphase übergeht, bleiben die Teile trocken und können anschließend beschichtet werden. Da es sich bei PP bzw. PP/EPDM um unpolares Material handelt, ist eine Aktivierung, durch Beflammen oder eine Plasmabehandlung, zwingend erforderlich, durch die polare Gruppen an der Substratoberfläche eingebaut werden.
Das FTIR-Spektrum zeigt Formtrennmittel auf der Primeroberfläche. Insbesondere unter Temperatureinwirkung wird die Migrationsneigung verstärkt.
Additiv-Migration
Unter Migration von Additiven versteht man die Abgabe von niedermolekularen Inhaltsstoffen aus dem Polymersubstrat in die darüberliegende(n) Lackschicht(en). Möglich ist dies, weil Additive nicht chemisch in die Polymermatrix eingebunden sind, sondern als niedermolekulare Komponenten durch polymere Netzwerke hindurchdiffundieren können. In früheren Forschungsarbeiten des IPA wurde gezeigt, dass bei einer frisch im Labor gereinigten PP-Platte (Isopropanol/Wasser) bei mehreren in zeitlichen Intervallen wiederholten Dichlormethan-Spülungen die Additivauflage zunächst abnimmt, nach einem größeren Zeitabstand aber wieder ansteigt. Das bedeutet, Additive migrieren aus dem Substrat nach (Bild 1). Insbesondere unter Temperatureinwirkung, z.B. bei der Trocknung nach Powerwash-Reinigung, beim Beflammen, bei der Trocknung von Lackschichten oder auch beim anschließenden Temperaturwechseltest, wird die Migrationsneigung von Additiven verstärkt. Dies war nach der Lackierung eindeutig infrarotspektroskopisch auf der Primeroberfläche nachweisbar (Bild 2). Das Formtrennmittel ist bzgl. Migration das kritischste Additiv. Laborspülproben mit Dichlormethan liefern bei Überdosierung an Formtrennmittel im Werkstoff gegenüber Varianten mit Überdosierung an anderen Additiven deutlich erhöhte Auflagemengen.
Basecoat-Benetzungsstörungen auf Primer im Querschliff – verursacht durch die Überdosierung an Formtrennmittel.
Trotz Reinigung und vorübergehenden Verschwindens des Formtrennmittels von der Substratoberfläche zeigen sich nach der Aktivierung massive Lackierprobleme. Ließ sich der Primer noch gut lackieren, so kommt es beim Basecoat zu Benetzungsstörungen und einem ungleichmäßigen Lackauftrag (Bild 3). Zusätzlich treten vermehrt Enthaftungen nach DIN EN ISO 16925:2014-06 auf (Bild 4). Alle bisher untersuchten Reinigungsvarianten, Laborreinigung mit Isopropanol-Wasser-Gemisch, CO2-Schneestrahlreinigung und Powerwash mit Standardparametern, konnten die Benetzungsstörungen beim Substrat mit erhöhter Formtrennmittelmenge nicht beheben. Es bleibt zu prüfen, ob ein so schwer zu lackierendes Kunststoffsubstrat durch Optimierung der Reinigungsparameter verarbeitet werden kann.
Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, Dr. Michael Hilt,Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de;
Annette Krug, Tel. +49 711 970-3829, annette.krug@ipa.fraunhofer.de;
Dr. Katharina Weber, Tel. +49 711 970-3831, katharina.weber@ipa.fraunhofer.de,
www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung
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