Der Einfluss von Kunststoffadditiven auf die Lackhaftung
Werkstoffe auf Polypropylen (PP)-Basis gehören auf Grund ihres guten Preis-/Leistungsverhältnisses zu den weltweit am meisten verwendeten Kunststoffen. Im Automobilbereich gewinnen sie aus Gründen der Gewichtsreduktion auch für großflächige Bauteile immer weiter an Bedeutung. Daraus resultiert ein großes Interesse, die Leistungsfähigkeit und insbesondere die Haftung der Kunststoffbeschichtungen zu verbessern, indem vor allem vertiefende Kenntnisse der Oberflächeneigenschaften vom Substrat gewonnen werden.
Die Formteile werden im Spritzgussverfahren aus Kunststoffgranulaten hergestellt. Als PP-Werkstoffe werden Misch- oder Copolymerisate dieser Stoffklasse, z.B. PP-EPDM und PP/PE-Copolymere verwendet. Neben dem Polymer sind im Werkstoff Füllstoffe (meist 10 bis 20% Talkum), Pigmente (ca. 1% Ruß) und verschiedene Additive (jeweils ca. 1%) enthalten. Die wichtigsten Additive bei PP-Werkstoffen sind Thermostabilisatoren/Antioxidantien, Fließhilfsmittel und Formtrennmittel. Im Fokus der meisten Untersuchungen steht die Effizienz bzw. die Optimierung der Oberflächenaktivierung (Beflammen, Plasmabehandlung, Fluorierung). Der negative Einfluss niedermolekularer Stoffe/Stoffgemische an der Werkstoffoberfläche, z. B. von Kunststoffadditiven, auf die Haftung der Beschichtung wird dagegen kaum diskutiert, weil davon ausgegangen wird, dass sie bei der Reinigung und Aktivierung weitgehend entfernt werden.
Partielle Lackenthaftungen
Mit der Einführung des relativ neuen Dampfstrahltests (HDW-Test, DIN EN ISO 16925:2014-06), wurden bei Freigabeprüfungen mehr Teile mit Haftschwächen, so genannten partiellen Lackenthaftungen, auffällig. Die Lackenthaftungen treten dabei entlang des Kreuzschnittes auf. Bei eigenen Untersuchungen wurde beobachtet, dass Additive in diesem Zusammenhang eine maßgebliche Rolle spielen. Es konnte gezeigt werden, dass Additive mit praxisüblichen Reinigungs- und Aktivierungsverfahren (Powerwash bzw. CO2-Schneestrahlen, Beflammen) von der PP-Werkstoffoberfläche zumindest nicht vollständig entfernt werden und höhere Auflagemengen an Additiven zu partiellen Lackenthaftungen führen.
In einem Forschungsprojekt unter Federführung des Fraunhofer IPA gemeinsam mit dem FILK Dresden und IPF Freiberg, steht die Aufklärung der Ursachen für die Schwächung der Lackhaftung durch Kunststoffadditive in der obersten „Substratschicht“ im Vordergrund. Im Einzelnen geht es um kritische Auflagemengen und Zusammensetzungen von Additiven an der Werkstoffoberfläche, um die Identifizierung von Werkstoffparametern, die die Additivmigration an die Oberfläche beeinflussen und um die Ableitung von Optimierungsmaßnahmen bei der Reinigung und Aktivierung der Formteile. Damit sollen allgemein verwertbare Erkenntnisse gewonnen werden, wie die von Seiten der Industrie als Problem benannten partiellen Lackenthaftungen bei Formteilen aus PP-Werkstoffen behoben werden können. Gleichzeitig wird Basiswissen für die Entwicklung neuer, hinsichtlich Additivauflage und -migration verbesserter Werkstoffe generiert.
Die partiellen Lackenthaftungen korrelieren mit höheren löslichen Additivanteilen der PP-Werkstoffe A und C.
Sauberkeit als Voraussetzung
Die Sauberkeit der Werkstoffoberflächen ist eine Grundvoraussetzung, damit sich der aufgetragene Lack an dieser verankern kann. Zu den Störfaktoren zählen dabei nicht nur die äußeren Verunreinigungen wie Staub, Fingerabdrücke, Abrieb usw., sondern auch die „inneren Kontaminationen“ durch die zugesetzten Additive und Füllstoffe, welche sich ebenfalls auf der Oberfläche befinden bzw. dahin migrieren können. Die Entfernung dieser die Oberflächenenergie, Benetzung und Haftung störenden Grenzschichten ist daher ein wichtiger Prozessschritt. Ziel einer Reinigung der Werkstoffoberfläche muss es sein, alle Verunreinigungen, äußere und „innere“, zu entfernen oder zumindest so zu reduzieren, dass sie nicht mehr stören. Die Entfernung von Additiven wird in der Praxis allerdings nicht gezielt überprüft.
Um ein Bauteil optimal für eine Beschichtung vorzubereiten, ist es entscheidend, dass nicht nur die Aktivierung, sondern auch die Reinigung auf den Werkstoff (mit seinen Additiven) abgestimmt ist. Die Wirksamkeit der Reinigung hinsichtlich der Additivmenge bzw. -zusammensetzung an der Werkstoffoberfläche ist ein zentraler Aspekt im geplanten Forschungsvorhaben. Powerwash-Reinigung und CO2-Schneestrahlen werden diesbezüglich miteinander verglichen.
Reinigung abstimmen
Für eine gute Lackhaftung ist es entscheidend, dass sich beim Härten des Lacks in der Grenzfläche starke und stabile Wechselwirkungen (Säure-Base-Wechselwirkungen, Wasserstoffbrückenbindungen bis hin zu kovalenten Bindungen) zwischen den polaren Gruppen des Kunststoffsubstrats und des Lacks ausbilden. Additive, die eine Trennschicht bilden, eine „weak boundary Layer“, verursachen ein sofortiges Versagen des Kunststoff-/Lack-Verbundes. Je nach Art und Auflagemenge der Additive sind aber auch Zwischenstufen denkbar, so dass eine Haftschwäche nicht sofort, sondern erst nach einer Alterung und/oder extremer Belastung, wie z. B. beim HDW-Test, auftritt. Von Seiten der Beschichtung ist daher die Art der Wechselwirkung eines Primers mit den Additiven maßgeblich. Damit stabile Haftkräfte entstehen, muss sich in der Grenzfläche eine Art Interdiffusionsschicht aus Additiven und Primer bilden. Außerdem darf die Durchhärtung des Primers in dieser substratnahen Schicht nicht signifikant durch die Additive gestört werden.
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de; Dr. Volker Wegmann, Tel. +49 711 970-3832, volker.wegmann@ipa.fraunhofer.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung
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