Chrom oder nicht Chrom?

Ob Klavierlack- oder Chromoptik, ob Metallic-Effekte oder Ultra­kratzfest-Beschichtungen: Das nordbayrische Unternehmen Kunststoff Helmbrechts (KH) lackiert Kunststoffkomponenten, die ihren Einsatz vornehmlich in der Automobilindustrie, Telekommunikation, Medizintechnik oder Industrie finden. Diesen Branchen ist eines gemein: Sie müssen extrem hohe Anforderungen an die optische und haptische Qualität, an Haltbarkeit und Belastbarkeit erfüllen.

Der Spiegeleffekt tritt nur ein
Für den Spiegeleffekt wird der Chromlack max. 1 bis 3 μm dünn aufgetragen. Foto: KH -

Suche nach Alternativen

Eine Spezialität von KH sind metallisch anmutende Oberflächen, wie Verbraucher sie zum Beispiel an Duscharmaturen oder bei Möbelgriffen finden. Diese Kunststoffteile werden entweder durch Galvanisieren, durch Chrom­ersatzverfahren wie PVD, In-Mold-Labeling oder Lackieren beschichtet. Vor allem die nicht-galvanischen Verfahren, die von KH angeboten werden, sind stark im Aufwind: „Aufgrund der Unsicherheit der weiteren Zulassung von Chrom VI durch die Behörden, der Nickellässigkeit und des relativ hohen Aufwands durch die REACH-Verordnung suchen Hersteller immer wieder nach Fertigungsalternativen für die Beschichtung ihrer Bauteile“, erklärt KH-Vertriebsleiter Christoph Ernst. „Diese Verfahren haben durchaus ihre Vorteile und warten mit neuen Designmöglichkeiten auf. Zudem empfiehlt sich für unterschiedliche Teilegeometrien und Anforderungen der eine oder andere Prozess.“

Verfahren 1: Galvanisieren

Die Galvanik wird durch KH selbst nicht durchgeführt. KH fertigt am Standort Helmbrechts Teile aus ABS und ABS/PC, die bei Unterlieferanten beschichtet werden. Die Werkstücke werden angebeizt, danach erfolgt das galvanische Abscheiden von Metallschichten beispielsweise in der Schichtfolge Kupfer/Nickel/Chrom. Das Verfahren liefert widerstandsfähige Oberflächen mit dem typischen „Cool Touch“ und dem hohen Glanzgrad von echtem Metall. Teile, die eine Symbolik oder durchleuchtbare Bereiche benötigen, werden im Mehrkomponentenverfahren gefertigt und partiell beschichtet. Nur die Partien, die metallisch glänzen sollen, werden in ABS ausgeführt, die anderen aus nicht-galvanisierbarem Kunststoff z.B. PC. Der Aufwand für ein 2K-Werkzeug und die 2K-Fertigung ist allerdings aufwändiger“, erklärt Ernst.

Verfahren 2: „GalvanoLum“

Mit „GalvanoLum“, ein von KH selbst entwickeltes Verfahren, werden die Stellen, an denen später die gewünschten Symbole erscheinen sollen, mit einem Stopplack bedruckt. Dabei sind feinste Strichdicken von nur wenigen Zehntelmillimetern möglich. Im Galvanikbad kann die Metallschicht auf den behandelten Bereichen nicht haften, das Rohmaterial bleibt frei und wird hinterleuchtet. „GalvanoLum“ hat es bereits in die automobile Großserienanwendung geschafft.

Verfahren 3: PVD-Verfahren

Die Bedienung von Geräten mit kapazitiven, also berührungslosen Feldern ist bei Echt-Chrom-Verfahren nicht möglich. Diese wird jedoch vor allem für den Autoinnenraum immer stärker nach­gefragt. Eine geeignete Dünnschichttechnik, die spiegeln­­de Oberflächen erzeugt, aber nicht abschirmend wirkt, ist das PVD-Verfahren (Physical Vapor Deposition): „Dabei wird ein Bauteil mit einem Primer-Lack versehen, um die Oberfläche zu glätten. In einer Vakuum-Beschichtungskammer verdampft man das gewünschte Metall durch physikalische Einwirkung, damit es sich auf dem Kunststoffartikel nano- oder mikrometerdünn niederschlägt. Anschließend aufgebrachter Klarlack dient als Schutz der Metallschicht.“

Verfahren 4: Hinterspritzen von PVD-Folien

Eine komfortablere Alternative stellt das Hinterspritzen einer PVD-beschichteten Folie im IML-Verfahren dar. Die Sandwichfolie mit PVD-Schicht in der Mitte sieht im Rohzustand fast transparent aus und erhält ihre spiegelnde Optik, wenn man sie schwarz hinterdruckt. Dort, wo man die schwarze Farbe ausspart, bleibt die Folie durchleuchtbar. Beim Ein- und Ausschalten einer Lichtquelle erscheinen und verschwinden plötzlich Symbole in der glänzenden Oberfläche.

Verfahren 5: IML- und IMD-Verfahren

Ebenfalls sehr nah an der Optik von Metall präsentiert sich die Methode, eine PC-Folie mit Chromfarbe zu bedrucken und anschließend zu hinterspritzen, wie bei Dekorringen für Duscharmaturen. Nützlicher Nebeneffekt dieser IML-Technik: Die chromfarbene Schicht wird in jedem Fall durch die Folie geschützt. Neben dem IML- liefert auch das IMD-Verfahren (In-Mold-Decoration) ansprechende Ergebnisse: Auf einer Folie, die das Werkzeug durchläuft, sind in einem Farbpaket elementares und damit unkritisches Chrom sowie ein Klarlack als Schutz aufgebracht. Beides wird beim Spritzgießen auf das Bauteil übertragen. Auf diese Weise lassen sich Glanz- und Mattchrom sowie gebürstete Optiken ebenso leicht umsetzen wie verschiedene Farbvarianten. Das Heißprägen, also das Übertragen von Chromlack auf das Bauteil mit einem heißen Stempel, ist vor allem dann geeignet, wenn nur kleine Bereiche einen Metall­akzent erhalten sollen.

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Start des Benchmark-Wettbewerbs 2019

Bis zum 31. März 2019 haben Lohnbeschichter und Inhouse-Lackierereien der Industrie ab sofort wieder die Möglichkeit, am Benchmark-Wettbewerb teilzunehmen. Teilnehmende Unternehmen überprüfen auf diesem Wege ihre Fähigkeiten und Abläufe, erhalten ein fundiertes Feedback und vielleicht auch einen der sechs Awards. Der Wettbewerb um den BESSER LACKIEREN Award 2019 ermöglicht eine Standortbestimmung des eigenen Lackierbetriebs im Vergleich zu Mitbewerbern. Sie können sich ab sofort anmelden unter:

https://www.besserlackieren-award.de/anmeldung/

Verfahren 6: Lackieren

Wo keine Durchleuchtung nötig ist und eine vollflächige Chrom­optik erzeugt werden soll, bietet sich das klassische Lackieren an. Neue Chromlacke verfügen über eine hohe Spiegelwirkung. Die niedrigviskosen Lacke sind anspruchsvoll in der Verarbeitung: Auf eine rund 15 μm dicke Grundierung wird der Chromlack aufgetragen – je dünner, desto besser. Denn nur bei einer Schichtdicke von 1 bis 3 μm können sich die Pigmente überlappungsfrei ausrichten und die Spiegelwirkung entfalten. Den Abschluss bildet eine Klarlackschicht von rund 20 μm Dicke. Nur Spezialisten können den optischen Unterschied zu einer echten Verchromung erkennen. Kombiniert man PVD-Lacke mit einem wärmeleitfähigen Kunststoff und einer Laserstrukturierung des Werkzeugs, landet man bei „CoolBrush“, einem von KH zum Patent angemeldeten Verfahren. Es liefert Bauteile, die neben der Chromoptik auch die kühle Haptik von gebürstetem Metall besitzen.

Die technischen Möglichkeiten, um auf Kunststoffartikeln metallisch anmutende Oberflächen zu schaffen, sind vielfältig. Welches Verfahren für die jeweilige Anwendung am besten geeignet ist, richtet sich nach der Teilegeometrie, den Anforderungen an Kratz- und Chemikalienbeständigkeit  so­-wie dem gewünschten Aussehen. Ein Kostenvergleich der Technologien offenbart ebenfalls enorme Unterschiede. Aus diesen Gründen sollte der Lieferant möglichst frühzeitig in die Entwicklung der Bauteile einbezogen werden.

Zum Netzwerken:
Kunststoff Helmbrechts AG, Helmbrechts, Christoph Ernst, Tel. +49 9252 709-260, Mobil +49 173 709 9660, christoph.ernst@kh.de, www.kh.de

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