Intelligente Lackierzelle
Beim Stand der Technik werden robotergestützte Lackierprozesse offline programmiert, über Lackierversuche evaluiert und optimiert. Insbesondere mit steigender Produktvielfalt bei zugleich sinkenden Stückzahlen führt diese Methode unweigerlich zu hohen Kosten und einem enormen Zeitaufwand. Das Projekt zur Realisierung kleiner Losgrößen in einer vollautomatischen Lackierzelle läuft seit Anfang 2016 und endet am 31. April 2019. Die Struktur der selbstprogrammierenden Lackierzelle beruht auf einem cyber-physischen Produktionssystem (siehe Grafik 1) und den vier Modulen:
- 3D-Scanning (ITWM)
- Lackiersimulation mit Pfadoptimierung (IPA + FCC)
- Lackapplikation (IPA)
- Schichtdickenmessung (ITWM)
Die große Herausforderung in diesem Projekt besteht darin, die Sensoren (3D-Scanning, Schichtdickenmessung) und Aktoren (Lackierroboter) mit den Softwareservices (Lackiersimulationen) zu verbinden und hinsichtlich Genauigkeit und benötigter Zeit zu optimieren.
Vorbereitungsschritte
Grafik 2: Gradient-basierte Optimierung von Lackierbahnen in der Software IPS Virtual Paint.
Bevor der Lackierprozess gestartet werden kann, müssen die Lackeigenschaften, Bauteilgeometrie sowie Umgebungs- und Anlagenparameter für die Prozessspezifikationen bereitgestellt werden. Zusätzlich werden in diesem Schritt hochauflösende Simulationen nahe dem Zerstäuber durchgeführt und gespeichert, um Simulationen im Online-Prozess zu beschleunigen. Im ersten Schritt des Prozesses wird das zu lackierende Bauteil in der Lackierkabine über einen 3D-Scanner aufgenommen, die Position bestimmt und die Daten an die Simulationssoftware (IPS Virtual Paint des FCC) übermittelt. Die Software-Services haben die Aufgabe, über verschiedene Simulationsmethoden mit steigender Genauigkeit eine optimierte Roboterbahn zu erstellen. Der Optimierer sucht hierbei die beste Lackierbahn, um eine homogene Schichtdicke bei zugleich höchstem Auftragswirkungsgrad und kleinster Zykluszeit zu erreichen. Eine vereinfachte, automatisch erstellte Lackierbahn vor und nach der Optimierung ist in Grafik 2 dargestellt. Die Innovation besteht darin, dass durch neue numerische Ansätze für diese Aufgaben dreidimensionale Lackiersimulationen effizient genutzt werden können und über definierte Schnittstellen zu den Sensoren und Aktoren eine geeignete Kommunikationsstruktur geschaffen wurde. Numerische Lackiersimulationen haben gegenüber den oftmals verwendeten Projektionsmethoden eine höhere Genauigkeit durch Berücksichtigung der elektrostatischen und strömungsbedingten Effekte an komplexen Bauteilgeometrien.
Foto 1: Vollautomatische Lackierung im “SelfPaint”-Demonstrator. Fotos und Grafiken: Fraunhofer IPA
Um die Lacksprays in den virtuellen Lackierversuchen detailgetreu abzubilden, entwickeln die Forscher am Fraunhofer IPA Modelle für die Zerstäubung von Lackmaterialien. Die numerischen Modelle werden im institutseigenen Technikum anhand von lackierspezifischen Versuchen (Spritzbilder, Auftragswirkungsgrad) sowie lasergestützten Messmethoden (Tropfengröße und Geschwindigkeit) validiert. Weiter im Prozess wird über eine zusätzliche Instanz geprüft, ob Kollisionen des Roboters mit Lackierkabine und Bauteil entstanden sind. Die Lackierbahn wird anschließend über eine anlagenspezifische Schnittstelle auf dem Lackierroboter eingespielt und das Bauteil lackiert.
Automatische Qualitätskontrolle
Das Forschungsprojekt “SelfPaint” … |
… vereint die Kompetenzen der Fraunhofer Institute IPA, ITWM und FCC. Das Projekt läuft vom 1. Februar 2016 bis 31. April 2019. Projektleiter am ITWM ist Dr. Joachim Jonuscheit (joachim.jonuscheit@itwm.fraunhofer.de) und am FCC Prof. Dr. Fredrik Edelvik (fredrik.edelvik@fcc.chalmers.se). Koordiniert wird das Projekt am IPA von Dr. Oliver Tiedje (oliver.tiedje@ipa.fraunhofer.de). |
Nach dem Lackieren wird eine berührungslose Schichtdickenkontrolle mittels Terahertz-Messystem des ITWM durchgeführt. Die robotergeführte Schichtdickenmessung mit dem Terahertz-Messsystem ermöglicht punktgenaue Ergebnisse in kürzester Zeit von nassen sowie gehärteten Lackschichten. Der modulare Aufbau der selbstprogrammierenden Lackierzelle ermöglicht eine adaptive Anpassung in bestehende Lackieranlagen und Lackierprozesse. Einzelne Module, wie die Lackiersimulationen, werden bereits im industriellen Umfeld für folgende Aufgabenstellungen angewandt:
- Realistische Absicherung des Planungsstands
- Lackierbarkeitsstudien in frühen Designphasen
- Optimierung der Prozessparameter (z. B. Bahnplanung)
- Simulative Absicherung von Lastfällen und Störungssituationen
- Reduktion der Prototypenlackierung
Die vollautomatisierte Lackierzelle “SelfPaint” ermöglicht auf variierende Bauteilgeometrie und Position im Lackierprozess schnell zu reagieren und automatisierte Lackierungen bis hin zu Losgröße 1 zu realisieren. Adressiert werden vornehmlich Hersteller von Automobilen, Maschinen- und Anlagen sowie Möbeln. Hier ermöglicht das innovative Konzept der selbstprogrammierenden Lackierzelle, sich den Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen.
Zum Netzwerken:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart,
Dr. Michael Hilt, Tel. +49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de,
Nico Güttler, Tel. +49 711 970-1350, nico.guettler@ipa.fraunhofer.de,
www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung
Hersteller zu diesem Thema
Dann brauchen Sie mehr als aktuelle Internet-News - Sie brauchen die Fachzeitung BESSER LACKIEREN! Exklusive Interviews, Analysen und Berichte. Praxisbezogener Fachjournalismus. Umfassende Informationen. Digital oder gedruckt - So, wie Sie es brauchen.