Anlagen-Verordnung AwSV im Fokus
Was ist die AwSV?
Die „Anlagenverordnung“ oder laut richtigem Namen „Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, AwSV“ ist im August 2018 veröffentlicht worden und ersetzt als neue Bundesverordnung 16 in sich unterschiedliche Anlagenverordnungen mit Namen VAwS der jeweiligen Bundesländer. Erstmalig stehen nun bundesweit harmonisierte Anforderungen im Bereich des anlagenbezogenen Gewässerschutzes zur Verfügung. Gerade für Betriebe, die bundesweit tätig waren, gab es früher je nach Standort des Betriebes nicht verständliche Unterscheidungen. Doch was regelt nun diese Anlagenverordnung? Gemäß den Begriffsbestimmungen des §2 (9) ist als Anlage definiert: „Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ (Anlagen) sind selbständige und ortsfeste oder ortsfest benutzte Einheiten, in denen wassergefährdende Stoffe gelagert, abgefüllt, umgeschlagen, hergestellt, behandelt oder im Bereich der gewerblichen Wirtschaft oder im Bereich öffentlicher Einrichtungen verwendet werden, sowie Rohrleitungsanlagen nach § 62 Absatz 1 Satz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes.
Auswirkungen auf die Beschichter
Im Chemielager müssen Beschichter die Mengen prüfen und korrekt einstufen.
Man könnte meinen, diese klassische AwSV-Anlagen gibt es doch beim Beschichter gar nicht. Doch beim genaueren Hinsehen tauchen verschiedenste Anlagen auf wie z.B. das Chemikalienlager für Farben und Lösemittel, Vorrats- und Ansetzbehälter für Vorbehandlungen (z.B. Spritzentfettung, Phosphatierungen), Vorlagebehälter für Verdampfer, Lagertanks für Heizöl als Heizmedium, hydraulische Aufzüge oder Hebebühnen, etc. Je nachdem, in welche Gefährdungsstufe eine Anlage eingestuft wird (siehe Tabelle 1), ergeben sich unterschiedliche Pflicht-Prüfintervalle für das eigene Unternehmen (siehe Tabelle 2). Neben den Prüfpflichten müssen für Anlagen, die in den Anwendungsbereich der AwSV fallen, zudem ggf. Anzeigepflichten gegenüber der Behörde beachtet werden. Beschichter, die eine Anlage betreiben oder wesentlich ändern wollen, müssen ihre Anlage(n) bei der zuständigen Behörde (z.B. Umweltamt, Gewerbeaufsicht, Bezirksregierung, etc.) anzeigen. Führt eine Änderung (Tausch eines Stoffes; Erhöhung des Volumens/der Menge) zu einer Änderung der Gefährdungsstufe gemäß § 39 AwSV, muss dies ebenfalls der zuständigen Behörde im Vorfeld mitgeteilt werden. Diese Anzeige muss mindestens sechs Wochen im Voraus schriftlich erfolgen. Dadurch haben nun auch plötzlich Beschichter, die bisher beim Umweltamt kaum in Erscheinung getreten sind, Pflichten. Umgekehrt werden die Behörden eventuell aufmerksam und erhöhen die Überwachung. In jedem Fall ist zu beachten, dass die Prüfprotokolle der Sachverständigen direkt der Behörde übermittelt werden.
Fünf Tipps für Anlagenbetreiber |
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Beseitigung von Mängeln
Werden bei Prüfungen nach § 46 durch einen Sachverständigen geringfügige Mängel festgestellt, hat der Betreiber diese Mängel innerhalb von sechs Monaten und, soweit nach § 45 erforderlich, durch einen Fachbetrieb nach § 62 zu beseitigen. Erhebliche und gefährliche Mängel sind dagegen unverzüglich zu beseitigen. Hat der Sachverständige bei seiner Prüfung nach § 46 einen gefährlichen Mangel im Sinne von § 47 Absatz 2 Nummer 4, festgestellt, hat der Betreiber die Anlage unverzüglich außer Betrieb zu nehmen.
Beispiel für die praktische Umsetzung
Alle Beschichter sollten zuerst offenen Auges durch ihre Betriebsstätte gehen. Dazu ist es unabdingbar, eine gute und aktuelle Übersicht über alle eingesetzten Stoffe und Hilfs- und Betriebsmittel zu haben. Dies erfolgt im so genannten Gefahrstoffkataster. Hierbei ist vor allem die Einstufung nach Wassergefährdungsklasse und die maximale Lagermenge des jeweiligen Stoffes wichtig. Auch alle anderen Stoffdaten wie Gefahrstoffeinstufung (GHS/CLP-Symbole) sollten darin erfasst werden. Daher ist ein aktuelles Sicherheitsdatenblatt der Stoffe unabdingbar. Diese sind bei den jeweiligen Lieferanten anzufordern. Mit Hilfe dieser Informationen lässt sich die Gefährdungsstufe der jeweiligen Anlage ermitteln und die resultierenden Pflichten ableiten. Bei der Ermittlung der vorhandenen AwSV-Anlagen erweist sich solch ein Anlagenkataster als sehr hilfreich, auch als Basis für die erforderliche Anlagendokumentation. In diesem Kataster sind übersichtlich alle notwendigen Informationen (Einstufung der Anlage in eine Gefährdungsstufe; Prüfpflichten etc.) enthalten. Mit Hilfe des Anlagenkatasters kann regelmäßig geprüft werden, ob Prüfintervalle eingehalten werden oder ob sich durch Änderungen eine neue Gefährdungsstufe ergibt. Für die Anlagendokumentation sind unter anderem folgende Punkte vorzuhalten:
- Aufbau (Standort) und Abgrenzung der Anlage(n)
- Einsatz wassergefährdender Stoffe und ggf. Einstufung der verwendeten Gemische in der Anlage
- Bauart der Anlage
- Informationen zu den Werkstoffen und Beständigkeiten der einzelnen Anlagenteile
- Informationen über Sachverständigenprüfungen
- Informationen zu Sicherheitseinrichtungen und Schutzvorkehrungen
Im Rahmen einer Neuplanung können diese Informationen bereits von Anfang an berücksichtigt werden und in eine Anlagendokumentation gemäß AwSV eingepflegt bzw. verfügbar gemacht werden. Diese Informationen sollten Beschichtungsbetriebe direkt beim Anlagenlieferanten einfordern. Darüber hinaus sind die notwendigen AwSV-Betriebsanweisungen (für B, C und D-Anlagen) zu erstellen. Für A-Anlagen gibt es ein vereinfachtes Merkblatt. Sie sollen dazu dienen, im Gefahrenfall die notwendigen Informationen an der Anlage schnell griffbereit zu haben. Es ist davon auszugehen, dass dies auch Inhalt von behördlichen Kontrollen und Audits sein wird. Für bestehende Anlagen, die beispielsweise bisher keiner Prüfpflicht unterlagen, gibt es entsprechende Übergangsfristen, abhängig vom Ersterrichtungsjahr.
Anlagenabgrenzung
Tabelle 1: § 39 Ermittlung der Gefährdungsstufe einer Anlage.
Die Festlegung der Grenzen einer Anlage ist enorm wichtig, aus diesen ergibt sich die entsprechende „Größe“ – meist Volumen an wassergefährdenden Stoffen – und daraus resultieren die notwendigen Anforderungen. Daher ist mit Maß und Verstand die Abgrenzung vorzunehmen. Funktionell zusammenhängende Teile, wie ein Lagerraum, ein Heizöltank oder eine Entfettung mit Umlaufbehälter und Ölabscheider, werden als eine Anlage gesehen. Definition aus § 14 (2): Zu einer Anlage gehören alle Anlagenteile, die in einem engen funktionalen oder verfahrenstechnischen Zusammenhang miteinander stehen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn zwischen den Anlagenteilen wassergefährdende Stoffe ausgetauscht werden oder ein unmittelbarer sicherheitstechnischer Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Auch das Nutzen eines gemeinsamen Auffangraums kann bei strenger Auslegung einen Zusammenhang darstellen.
Ziel der AwSV und Anforderungen an Anlagen
Der sichere Umgang mit wassergefährdenden Flüssigkeiten, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist, gilt als Ziel der AwSV. Dies ist der sogenannte „Besorgnisgrundsatz“ des § 62 WHG. Die Grundsatzanforderungen für Anlagen gemäß § 17: Anlagen müssen so geplant, errichtet, beschaffen und betrieben werden, dass:
- Wassergefährdende Stoffe nicht austreten können
- Undichtheiten aller Anlagenteile, die mit wassergefährdenden Stoffen in Berührung stehen, schnell und zuverlässig erkennbar sind
- Austretende wassergefährdende Stoffe schnell und zuverlässig erkannt und zurückgehalten sowie ordnungsgemäß entsorgt werden; dies gilt auch für betriebsbedingt auftretende Spritz- und Tropfverluste
- Bei einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs der Anlage (Betriebsstörung) anfallende Gemische, die ausgetretene wassergefährdende Stoffe enthalten können, zurückgehalten und ordnungsgemäß als Abfall entsorgt oder als Abwasser beseitigt werden.
LAU und HBV: Unterschiedliche Anforderungen gelten an sogenannten Lager-, Abfüll- und Umschlaganlagen (LAU-Anlagen) sowie Anlagen zum Herstellen, Behandeln und Verarbeiten (HBV-Anlagen).
Gefährdungsstufe
Tabelle 2 ist ein Auszug aus den Anlagen 5 und 6 der AwSV. Kursiv dargestellt sind die verschärften Prüfzeitpunkte und -intervalle der Anlagen mit Standort in einem Schutzgebiet.
Das Risiko einer Anlage wird durch die Gefährdungsstufe (gemäß §39 AwSV) dargestellt. Dabei wird in einer einfachen Kreuztabelle aus vorhandenem Volumen (bzw. Masse bei Feststoffen) und der Wassergefährdungsklasse (WGK) eine Gefährdungsstufe mit den Buchstaben von A bis D ermittelt. Aus Tabelle 1 ist ersichtlich, dass die Bagatellgrenze für Anlagen bei 0,22 m3 liegt, d.h. dass einzelne kleine Anlagen (z.B. mit einem einzelnen 200 l Fass als Vorrat) nicht in den Geltungsbereich der AwSV fallen. Dies gilt auch u.a. für einzeln befüllte Werkzeugmaschinen mit Kühlschmiermittel oder Ölen bis zu diesem Volumen.
Wassergefährdungsklasse
Die Einstufung der wassergefährdenden Stoffe erfolgt in Abhängigkeit von der Gefährlichkeit von nicht wassergefährdend (nwg) über allgemein wassergefährdend (awg) zu WGK 1 (schwach wassergefährdend) über WGK 2 (deutlich wassergefährdend) bis WGK 3 (stark wassergefährdend) und ist bei allen verdächtigen Stoffen im Sicherheitsdatenblatt des Herstellers im Kapitel 15 vermerkt. Bei Gemischen, die vor Ort erst angesetzt werden, ist die Wassergefährdungsklasse durch den Betreiber zu ermitteln. Dies erfolgt durch die entsprechenden Mischungsregeln. Aus einer Spritzphosphatierung, die z.B. aus einem 4-prozentigen Konzentrat mit der Wassergefährdungsklasse 2 angesetzt wird, wird so in der Mischung nur noch eine Wassergefährdungsklasse 1. Dies kann durchaus wichtig sein, da bei höherer WGK auch die technischen und organisatorischen Anforderungen zunehmen. Die exakte Vorgehensweise zur Ermittlung einer Mischungs-WGK ist in der Anlage 2, Pkt. 5 der AwSV beschrieben. Beispiele für die Einstufung in eine Wassergefährdungsklasse sind:
- Natronlauge: WGK 1
- Wasserstoffperoxid 25%: WGK 1
- Chromatierlösungen (Cr VI): WGK 3
- Passivierungslösung CrIII: WGK 2
- Universalverdünnung: WGK 2
Tabelle 3: Rückhaltevolumen in einem Fass- und Gebindelager
Neben der Einstufung in eine Gefährdungsstufe nach AwSV ist auch die räumliche, geografische Lage des Standorts entscheidend. Hierbei gilt es zwischen Standorten in Schutzgebieten (Wasserschutzgebiet, Heilquellenschutzgebiet, Überschwemmungsgebiet) und Standorten außerhalb dieser Schutzgebiete zu unterscheiden. Zudem muss berücksichtigt werden, ob die AwSV-Anlage oberirdisch oder unterirdisch (direkter Kontakt mit Erdreich, Unterseite nicht einseh- und prüfbar) errichtet ist. Je nach Einstufung der Gefährdungsstufe (A-D) und der evtl. Schutzgebietseinteilung ergeben sich unterschiedliche Prüfpflichten für die Anlagen. (Tabelle 2). Die Prüfungen müssen durch zugelassene AwSV-Sachverständige durchgeführt werden. Neben der Einstufung in eine Gefährdungsstufe und den daraus resultierenden Prüfpflichten und -intervallen ist die Rückhaltung von wassergefährdenden Stoffen ein wesentlicher Bestandteil der AwSV. Eine Rückhaltung von wassergefährdenden Stoffen kann entweder durch eine doppelwandige Ausführung der Behälter oder Rohrleitungen erfolgen oder mit Hilfe von geeigneten Auffangeinrichtungen (z.B. Auffangwannen oder Auffangtassen). Die Rückhalteeinrichtungen müssen flüssigkeitsundurchlässig und gegen die Beanspruchung der auslaufenden wassergefährdenden Stoffe beständig sein. Die Rückhalteeinrichtungen müssen so ausgelegt sein, dass das Volumen an wassergefährdenden Stoffen so lange sicher zurückgehalten wird, bis geeignete Sicherheitsvorkehrungen wirksam werden. Im Falle einer Leckage oder Havarie muss verhindert werden, dass wassergefährdende Stoffe in den Grund und Boden versickern, in Oberflächengewässer gelangen oder in die Kanalisation abgeführt werden.
Fachbetriebe beauftragen
Bei Fass- und Gebindelagern, welche in fast jedem Beschichtungsbetrieb vorzufinden sind, gelten für die Rückhalteeinrichtung in Tabelle 3 dargestellten Anforderungen. Gewisse Arbeiten wie das Errichten, Instandsetzen, Stilllegen und auch das Innen-Reinigen an bestimmten AwSV-Anlagen dürfen nur durch anerkannte Fachbetriebe durchgeführt werden.
Zum Netzwerken:
Qubus Planung und Beratung Oberflächentechnik GmbH, Schwäbisch Gmünd,
Frank Schüle, Tel. +49 7171 1040817, schuele@qubus.de,
Marcus Sorg, Tel. +49 7171 10408-20, sorg@qubus.de, www.qubus.de
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