Normen richtig nutzen

Viele Normen der Beschichtungstechnik existieren in aktueller oder ähnlicher Form bereits seit vielen Jahren. Trotz der langen Gültigkeitsdauer gibt es einige Normen, die häufig aus Gewohnheit nicht-normgerecht angewandt werden. Die häufigsten Verwirrungen klärt Bernd Reinmüller im Interview auf.

Historisches Dokument: Der Auslaufbecher ist bereits seit Jahrzehnten genormt – aber die Anwendung nicht vor Fehlern gefeit. Grafik: DIN
Der Auslaufbecher ist bereits seit Jahrzehnten genormt. Grafik: DIN -

Herr Reinmüller, was ist Ihrer Meinung nach der häufigste Irrglaube in der Normung der Beschichtungstechnik?
Ich denke, dass ist das Vertrauen auf den Auslaufbecher nach DIN 53211, denn die entsprechenden Normen wurden bereits vor 24 Jahren zurückgezogen und durch die DIN EN ISO 2431 ersetzt. In der Norm sind die Rahmenbedingungen genau beschrieben. Darunter auch, dass Probe und Becher auf 23 +/- 0,5 °C zu temperieren sind, Newton`sches Fließverhalten vorausgesetzt wird und der Messbereich der ISO Becher zwischen 30 sek und 100 sek liegt.

Was geschieht  in der Praxis?
Da werden dann Messungen mit einem DIN-4-mm-Becher, Düsenlänge 4 mm wie der Düsendurchmesser, irgendwo im Unternehmen, wo der Lack gerade verdünnt werden muss, durchgeführt. Die Viskosität der zu prüfenden Flüssigkeiten liegt nicht im Norm-Fenster und die Strömung unterhalb der Düse ist so turbulent wie das Messergebnis – Würfeln wäre da genauer. Grundlegend gilt: Wasserhaltige Produkte sollten grundsätzlich nur mit einem Viskosimeter bestimmt werden.

Welche weiteren Stolperfallen gibt es bei Prüfmethoden?
Einige! Darunter auch die Gitterschnittprüfung nach DIN EN ISO 2409. Bei dieser Prüfung werden mit einer scharfen Schneide Schnitte in die Beschichtung eingebracht und zwar bis zum Substrat. Dabei wird die Beschichtung an den Schnittkanten verletzt, durch die Keilform der Schneide zur Seite geschoben und vom Untergrund gelöst. Gebrauchstauglichkeit ja – Haftfestigkeit eher nein. Deshalb steht auch im Anwendungsbereich der Norm, dass es sich bei der Gitterschnittprüfung nicht um eine Methode zur Bestimmung der Haftfestigkeit handelt.

Der Herr der Normen, Bernd Reinmüller von DIN hat über 30 Jahre Erfahrung in der Normung. Foto: Redaktion

Der Herr der Normen, Bernd Reinmüller von DIN hat über 30 Jahre Erfahrung in der Normung. Foto: Redaktion

Ist das die einzige kritische Information bei der Gitterschnittprüfung?
Nein, eine Problematik ergibt sich ebenso für das teils verwendete Klebeband. Dieses dient bei der Prüfung lediglich als Hilfsmittel zum Entfernen lose anhaftender Lackteilchen – so steht es auch in der Norm. Teilweise hat dieses Klebeband nun aber eine Eigenständigkeit als Prüfmittel zum Prüfen der Haftfestigkeit erreicht, die die Norm nicht hergibt.

Herr Reinmüller, was raten Sie beschichtenden Unternehmen?
Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht! Nur die Auswahl geeigneter Prüfverfahren mit Sinn und Verstand und das in Kombination mit der richtigen Durchführung ergibt in Summe Sicherheit bei den Prüfergebnissen. So lässt sich die beste Qualität sicherstellen. Sicherlich ein Vorteil für Beschichter und Kunde.

Sie finden das Interview mit weiteren Informationen als Podcast unter www.besserlackieren.de/Podcast
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Und wenn Sie noch ein passendes Video suchen, dann schauen Sie doch in den BESSER LACKIEREN Youtube-Kanal „Prüfungen auf den Prüfstand“ z. B. dieses Video über die Viskositätsmessung

Zum Netzwerken:
DIN – Normenausschuss Beschichtungsstoffe und Beschichtungen (NAB), Berlin, Bernd Reinmüller, Tel. +49 302601-2447, bernd.reinmueller@din.de, www.din.de

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