Sechs Roboter für den Korrosionsschutz

Der Landmaschinenhersteller Deutz-Fahr hat in eine hochmoderne Beschichtungseinrichtung mit Robotern in Vorbehandlung und Beschichtung investiert.

Die neue Lackiererei nutzt Roboter in allen Bereichen. Foto: Redaktion
Die neue Lackiererei nutzt Roboter in allen Bereichen. Foto: Redaktion -

Vor-Ort-Besuch in der beschaulichen Kleinstadt Lauingen im bayerischen Schwaben. Bereits bei der Einfahrt in den Bahnhof zieht eine Batterie alter Fabrikgebäude die Blicke auf sich. Sie gehören zum Produktionsgelände von Deutz-Fahr. Die Gebäudereihe begleitet die BESSER LACKIEREN Redaktion auf dem kurzen Fußweg zum eigentlichen Ziel – der neuen Deutz-Fahr Produktionsstätte. Die neuen Gebäude stehen visuell im deutlichen Kontrast zu ihren Vorgängern, die Anfang des letzten Jahrhunderts errichtet wurden. Strahlendes Grün in Kombination mit mattem Schwarz erwartet den Besucher. Einerseits verbirgt sich dahinter seit kurzem ein neuer Empfangsbereich mit Erlebniswelt und Schulungsräumen, andererseits das modernste Traktorenwerk Europas. Das Werk ist mit einem Investitionsvolumen von 90 Mio. Euro die größte Einzelinvestition des familiengeführten Unternehmens SDF.

Taktgeber Beschichtung

Das L-förmig aufgebaute Traktorenwerk, mit einer überdachten Fläche von 42.000 m², umfasst unter anderem eine hochmoderne Roboterlackieranlage. Diese ist der Taktgeber der Fertigung und mit 20 Mio. Euro die größte Einzelinvestition innerhalb des Werks.

2) Fahrerlose Transportfahrzeuge bringen leere Skids zurück zum Hydraulikprüfstand am Übergang zwischen Kraftsatzmontage und Lackiererei.

2) Fahrerlose Transportfahrzeuge bringen leere Skids zurück zum Hydraulikprüfstand am Übergang zwischen Kraftsatzmontage und Lackiererei.

Auf ca. 6000 m², aufgeteilt auf drei Stockwerke, hat der Anlagenbauer Rippert die Wünsche von Deutz-Fahr umgesetzt. Die zugehörigen Roboter lieferte ABB, die Applikationstechnik stammt von L&S. Afotek steuerte die Lüftungstechnik bei. „Die Anlage ist in L-Form aufgebaut. Die Beschichtung liegt also zwischen der Kraftsatzmontage und der Endmontage“, erläutert Michael Hermann, Leiter Lackierung. Der gesamte Ablauf ist mittels SAP gesteuert und über ein einziges Panel zu überwachen. Teils über­nehmen fahrerlose Transport­fahrzeuge die Förderung (2). Alle Lackierkabinen sind für eine optimale Lackierung komplett klimatisiert und mit einer automatischen Befeuchtung versehen. Eine fahrbare Krananlage transportiert die Kraftsätze aus der Kraftsatzmontage über einen Prüfstand zur Maskierung vor der Vorbehandlung. Dort schützen Werker die für die Vorbehandlung kritischen Stellen mit speziell entwickelten, mehrfach einsetzbaren Maskierungen. Die so vorbereiteten Kraftsätze werden angehängt an Warenträger mit einer auf Reibradantrieben basierenden Fördertechnik durch die Lackieranlage bewegt. Gewichte bis zu 16 t durchlaufen vollautomatisch im Zwölf-Minuten-Takt die Anlage.

Prozessablauf

3) Die ersten zwei Roboter reinigen die Kraftsätze von Verschmutzungen wie Ölen und Fetten.

3) Die ersten zwei Roboter reinigen die Kraftsätze von Verschmutzungen wie Ölen und Fetten.

Zunächst tritt das Bauteil in die Vorentfettung ein (3). Dort applizieren zwei ABB-Roboter die benötigten Chemikalien mit einem Druck von 75 bar und bei einer Temperatur von 55 °C vollautomatisch und bauteilindividuell. Bei der Entwicklung der Programme achten die Programmierer insbesondere auf eine wassersparende Umsetzung. Die Rahmen-Programme haben Deutz-Fahr-Mitarbeiter gemeinsam mit CIT individuell entwickelt. Zur optimalen Anpassung der Arbeitsabläufe auf das jeweilige Modell beschäftigt Deutz-Fahr zwei Inhouse-Programmierer. Und das ist auch nötig, bedenkt man, dass allein für die Beschichtung gut 1000 Programme erforderlich sind – je 50 pro Maschine. Und für die Vorbehandlungsschritte, die mit einem Roboter umgesetzt werden, kommen noch weitere dazu.

4) Während der Spülung oszilliert der Reibradantrieb den Kraftsatz kontinuierlich, um eine optimale Benetzung sicher zu stellen.

4) Während der Spülung oszilliert der Reibradantrieb den Kraftsatz kontinuierlich, um eine optimale Benetzung sicher zu stellen.

Der zweite Vorbehandlungsschritt, eine erneute Entfettung und zwei Spülgänge (4), finden in einer Sprühkammer mit Sprühkränzen statt. Der Kraftsatz oszilliert in der Kammer, um ein bestmögliches Reinigungs- und Spülergebnis zu garantieren. Hierbei kommt zunächst normales Wasser und im Anschluss ent­ionisiertes Wasser zum Einsatz. Alle Abwässer werden intern in einer eigenen Aufbereitungsanlage gereinigt. Die Absaugung der Rückstände erfolgt vollautomatisch. Ein Ölabscheider ist integriert, um vorab Verschmutzungen in den Behandlungsbecken zu entfernen. Kontinuierlich und vollautomatisch erfolgt die Bestimmung von Leitwert und pH-Wert, um eine optimale Kaskadierung zu gewährleisten. Das Abwasser wird in einem Verdampfer aufbereitet. Da das Destillat der Vorbehandlung erneut zugeführt werden kann, stellt dies einen minimalen Prozesswasserverbrauch und somit ein umweltschonendes Verfahren sicher. In der dritten Vorbehandlungsstufe werden durch die Zirkonium-Phosphatierung von Henkel Korrosionsschutz und Haftvermittler in Sprühverfahren aufgetragen. Im Anschluss erfolgt ein zweifacher Spülgang mit VE-Wasser. Dahinter schließt sich die Trocknung der Bauteile an.

Robotertrocknung

5) Um bei der nachfolgenden Umluft-Trocknung Energie einzusparen, trocknen zwei Roboter mit Gebläsen schöpfende Stellen.

5) Um bei der nachfolgenden Umluft-Trocknung Energie einzusparen, trocknen zwei Roboter mit Gebläsen schöpfende Stellen.

Da schöpfende Stellen aufgrund der Komplexität der Kraftsätze nicht vermeidbar sind, trocknen zwei Roboter zunächst diese Stellen im Blasverfahren aus (5). Dabei beziehen die Düsen die Luft nicht aus Druckluftquellen, sie werden aus Gebläsen gespeist. Sind die kritischen, schöpfenden Stellen vom stehenden Wasser befreit, verdampfen die restlichen Flüssigkeitsanhaftungen in einem Haftwassertrockner bei 75 °C – 80 °C (6). Da vor der eigentlichen Beschichtung eine weitere Maskierungsrunde ansteht und somit Werker das Bauteil direkt berühren, kommt vor diesem Arbeitsgang noch eine Kühlung zum Zuge. Die dafür vorgesehene Kühlzone arbeitet sowohl mit Ventilatoren als auch mit Bodendüsen, um die Temperatur der Bauteile auf ca. 25 °C zu senken. Drei Plätze sind hier mit Kraftsätzen besetzbar.

6) Gebläse und Düsen kühlen die Kraftsätze nach dem Haftwassertrockner auf Arbeitstemperatur ab, damit Werker direkt danach weitere Maskierungen anbringen können.

6) Gebläse und Düsen kühlen die Kraftsätze nach dem Haftwassertrockner auf Arbeitstemperatur ab, damit Werker direkt danach weitere Maskierungen anbringen können.

Nachdem die letzten kritischen Stellen am zweiten Maskierplatz mit einem Schutz versehen wurden, erfolgt die Beschichtung. Zunächst trägt ein Werker manuell die Grundierung auf. Die Applikation des 2K-Nasslacks von Gross & Perthun erfolgt elektro­statisch. Zur Anwendung kommt ein heller oliv-grauer Farbton (7). Durch den Kontrast zwischen der hellen Grundierung und der schwarzen Decklackierung können Werker mögliche Fehlstellen später sehr schnell erkennen. Nach der Freigabe durch den Beschichter fördert der Reibrad­antrieb den Kraftsatz in eine Abdunstzone mit zwei Plätzen.

Effizienter Ablauf

Alle VOC-beladenen Abgase werden einer regenerativen Nachverbrennung zugeführt, die in einen Wärmeverbund integriert ist. So auch die Abluft der nachfolgenden, im Umluftbetrieb gefahrenen Roboterbeschichtung (8). Der energiesparende Umluftbetrieb ist möglich, da in der Roboterkabine keine Werker arbeiten. Dort applizieren zwei Roboter den schwarzen 2K-PUR-Decklack mit hohem Festkörperanteil. Nach jedem Lackiergang wird vollautomatisch der Düsen­kopf mit einer Bürste gereinigt – oder wie Hermann sagt: „Die Nase wird geputzt.“

7) Die Grundierung ist in einem deutlich helleren Farbton gehalten als die Decklackierung. Eventuell auftretende Fehlstellen können die Werker so sehr schnell identifizieren.

7) Die Grundierung ist in einem deutlich helleren Farbton gehalten als die Decklackierung. Eventuell auftretende Fehlstellen können die Werker so sehr schnell identifizieren.

Die Lackierkabine ist mit einem transparenten Abziehlack versehen, der in regelmäßigen Wartungsabständen gewechselt wird. Die Abluftreinigung von manueller und Roboterlackierung erfolgt auf unterschiedliche Weise: Die Abluft der Grundierung wird über ein fünfstufiges Reinigungssystem geführt. Zunächst trennen drei Stufen an Kartonfiltern die groben Lackpartikel ab. Anschließend wird die Abluft in zwei Stufen über Taschenfilter gereinigt. Im Fall der Roboterlackierung trennt ein von Rippert patentiertes Bürstensystem die Lackpartikel aus der abgeführten Luft. Die Lackpartikel setzen sich dabei auf Bürsten ab. Diese werden, wenn sie stark mit Lack beladen sind, mit Rakeln abgereinigt und neu mit Antihaftbeschichtung versehen. Nach der Kontrolle des Kraftsatzes durch einen Werker und dessen Freigabe dunstet der Lack auf drei Plätzen aus.

8) Die Wände und Fenster der Roboterlackierkabine sind durch einen transparenten Lack geschützt. Hat sich zu viel Beschichtungsmaterial darauf abgelagert, ziehen Mitarbeiter die Schutzschicht mit den Verschmutzungen ab. Die Beschichtung wird in der Kabine von den zwei Robotern umgesetzt.

8) Die Wände und Fenster der Roboterlackierkabine sind durch einen transparenten Lack geschützt. Hat sich zu viel Beschichtungsmaterial darauf abgelagert, ziehen Mitarbeiter die Schutzschicht mit den Verschmutzungen ab. Die Beschichtung wird in der Kabine von den zwei Robotern umgesetzt.

„Danach treten die Kraftsätze in den Ofen ein und werden im Durchlauf auf 13 Plätzen bei 75 °C getrocknet“, er­klärt der Leiter Lackierung. Im Anschluss kühlen Düsen und Gebläse die fertig beschichteten Bauteile auf Arbeitstemperatur ab. Am Demaskierplatz nehmen Werker die wiederverwendbaren Maskierungen von K&W ab. Nach der Qualitätskontrolle, bei der u. a. Schichtdicke und Glanzgrad bestimmt werden, tritt das Bauteil in die Montage ein. Die Beschichtung entspricht höchsten Anforderungen – so hält die Schutzschicht in Salzwassersprühtests bis zu 720 h ohne Korro­sionserscheinungen stand.

Warum das wichtig wird
Automatisierung ist längst ein Thema für alle Bereiche der Beschichtung geworden. Roboter sorgen nicht nur für die Applikation der Korrosionsschutzmaterialien, sondern auch für eine optimale Vorbehandlung und wie im vorliegenden Fall für eine Vortrocknung komplexer Bauteile mit schöpfenden Stellen. Die Automatisierung ermöglicht eine enge Verschränkung der einzelnen Prozessbausteine. Somit sind Materialeinsparungen möglich und Chemikalien und Beschichtungen werden in optimaler Weise und bauteilgerecht appliziert. Prozesse laufen schnell und energiesparend ab. Zudem sind periphere Verfahrensbereiche wie Abwasserreinigung und regenerative Nachverbrennung optimal in das Gesamtkonzept einpassbar. Die resultierenden Vorteile überwiegen bei weitem den zusätzlichen Programmieraufwand.

„Wir arbeiten hier extrem energieeffizient und versor­gen uns auch selbst mit Energie – mit einem Blockheiz­kraftwerk“, fasst Hermann zusammen. „Überschüssige Energie wird dem Netz zuge­führt.“ Zur weiteren Energieeinsparung sind alle Räume der Lackierung mit Stand-by-Schaltungen versehen.

Zum Netzwerken:
Same Deutz-Fahr Deutschland GmbH, Lauingen, Michael Hermann, Tel. + 49 9072 9973242, michael.hermann@sdfgroup.de, www.deutz-fahr.com/de-de

Hersteller zu diesem Thema

Sie brauchen mehr? Sie wollen Hintergrund und Fachwissen?
Dann brauchen Sie mehr als aktuelle Internet-News - Sie brauchen die Fachzeitung BESSER LACKIEREN! Exklusive Interviews, Analysen und Berichte. Praxisbezogener Fachjournalismus. Umfassende Informationen. Digital oder gedruckt - So, wie Sie es brauchen.