Von Groß zu Klein

Beim Betreten des Dortmunder Werksgeländes des Lohnbeschichters Stork scheint alles klar zu sein: Hier wird groß beschichtet. Baumaschinenteile sind zu sehen, verteilt auf weiträumige Hallenflächen. Lastwagen fahren ohne Pause ein und aus, Stapler bewegen Tonnenlasten und Werker arbeiten konzentriert am jeweiligen Werkstück.

Von links: Andreas Maslowski -

Doch der Grund für den redaktionellen Termin von BESSER LACKIEREN ist ein anderer: Das Unternehmen hat vor kurzem drei Millionen Euro investiert – in eine hochmoderne Roboterlackieranlage für Kleinteile und Schüttwaren. Bei Stork erweitert man das Portfolio so immens und geht den Schritt „von Groß zu Klein“. „Uns war von Anfang an wichtig, dass die Anlage hochflexibel ist, da wir immer an die Zukunft denken“, sagt Felix Stork, der gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Philip Stork und seinem Vater Hans-Bernd Stork das Familienunternehmen leitet. „Als Lohnbeschichter weiß ich manchmal nicht, was morgen auf dem Hof steht, muss aber darauf reagieren können. Die neue Anlage deckt im Lackbereich quasi alles ab und ist so optimal für unser variierendes Substratspektrum geeignet.“

Gemeinschaftsprojekt

Der Kreisförderer transportiert die Bauteile mit 1,5 m/min durch die Anlage. Fotos: Redaktion

Der Kreisförderer transportiert die Bauteile mit 1,5m/min durch die Anlage. Fotos: Redaktion

An der Umsetzung des Projekts waren unterschiedliche Unternehmen beteiligt. Der Anlagenbauer Heimer konzipierte die Gesamtanlage, das Unternehmen Reiter steuerte die Applikationstechnik bei und der Konzern Henkel unterstützte bei der Wahl und Konzeptionierung der Vorbehandlung. Die Zusammenarbeit war dabei sehr fruchtbar. „Wenn man eine neue Anlage haben möchte, muss man sich Zeit nehmen, um alles wie gewünscht einzustellen. Man muss die Anlage verstehen, erst dann sind optimale Ergebnisse möglich“, sagt Markus Rhode, bei Heimer verantwortlich für die Planung der neuen Roboterlackieranlage. „Das war bei Stork definitiv der Fall. Vorschläge unsererseits sind immer auf hohes Interesse gestoßen und wurden intensiv abgewägt. So war die Zusammenarbeit für alle Beteiligten sehr befriedigend.“

20 Wochen Bauzeit

Mit dem Bau der Anlage wurde in KW 4 dieses Jahres begonnen. Bereits in KW 24 war die Beschichtung in der 1000 m² großen Halle einsatzbereit. „Wir können hier Teile mit Dimensionen von bis zu 150 x 800 x 800 mm (LxBxH)beschichten. Die Beladung der Träger geht bis 100 kg“, erklärt Felix Stork. Die Anlage ist auf bis zu 1.000.000 Aufhängungen pro Jahr ausgelegt, wobei diese mit bis zu 145 Teilen bestückbar sind. Die Durchlaufzeit liegt bei ca. 90 min. Nahezu alle Substrate sind lackierbar, von Stählen über Mischmetalle und Aluminium bis hin zu Kunststoffen. Betrieben wird die Anlage über eine angepasste Überwachungs- und Steuerungseinheit. Wichtig war dem Anlagenbauer Heimer dabei, dass – soweit möglich – alle relevanten Parameter, wie z. B. Leitwerte, Temperaturen, Wasserstände, direkt und in Echtzeit zu sehen sind. „So haben die Mitarbeiter alles vor Augen, auch einfach nur beim Vorbeigehen“, erklärt Rhode. Zum Transport durch Vorbehandlung und Beschichtung kommt ein Kreisförderer zum Einsatz, der die Werkstücke mit einer einstellbaren Geschwindigkeit von durchschnittlich 1,5 m/min bewegt.

Vorbehandlung

An der zentralen Anlagensteuerung sind alle relevanten Parameter direkt zu sehen.

An der zentralen Anlagensteuerung sind alle relevanten Parameter direkt zu sehen.

Zunächst fördert das Kreissystem die Bauteile in die sechseinhalb Zonen der 30 m langen Vorbehandlung, die in Ausgabe 19 von BESSER LACKIEREN  im Detail  beschrieben wird. Hinter der Vorbehandlung durchlaufen die Werkstücke eine Prüf- und Absaugstelle und werden anschließend beschichtet. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: entweder reine Handbeschichung oder Roboterbeschichtung oder eine Kombination der beiden. In Ausgabe 20 von BESSER LACKIEREN wird die Lackierung detailliert vorgestellt. Prozessabwärts der Roboterlackierkabine befindet sich hinter einer Abdunstzone der Lacktrockner. Dieser ist bis zu ca. 120 °C beheizbar und ermöglicht eine rein vertikale Luftführung. Nach der Abkühlung der Werkstücke stehen diesen zwei Wege offen. Bei einer Einschichtlackierung erfolgen Abhängung und Verpackung. Bei einer Zweischichtlackierung werden die Bauteile vor der Vorbehandlung abgehängt und direkt vor der Beschichtung in den Prozess eingeschleust. Ab- und Aufhängeort sind benachbart, so dass die Belastung der Mitarbeiter möglichst gering bleibt.

Abluftreinigung

Zur Nachbehandlung der entstehenden Abluftströme steht eine hochmoderne Abluftreinigungstechnik auf Basis der Molekularsieb-Duplex-Technologie zur Verfügung. Diese wurde bereits 2009 installiert, aber mit Blick in die Zukunft so überdimensioniert ausgelegt, dass auch die neue Lackieranlage abdeckt werden kann. So wie vor knapp zehn Jahren effizient gedacht wurde, so ist es auch heute. Energieeffizienz und Umweltschutz waren von Beginn bei der Anlagenplanung und -umsetzung von übergeordneter Bedeutung. Die gesamte Halle ist aus diesem Grund in einer Wanne verbaut, die Vorbehandlung steht zudem in einer Extrawanne – also die Wanne in der Wanne, um ein hohes Maß an Sicherheit zu garantieren.

Energiesparend

Direkt auf dem Lacktrockner sind Wärmetauscher installiert.

Direkt auf dem Lacktrockner sind Wärmetauscher installiert.

Zur Energieeinsparung kommen Frequenzumrichter für die Antriebe zum Einsatz. Zudem wurde auf ein sanftes Anlaufen der Anlage geachtet. Dadurch sind alle Pumpen stufenlos drehzahloptimierbar. „Dies ermöglicht tatsächlich hohe Stromeinsparungen. Eigentlich denkt man, etwas weniger Drehzahl verbraucht etwas weniger Strom – das ist aber falsch. Sieht man sich die relevante dimensionslose Größe für diesen Zusammenhang, die Newton-Zahl an, dann erkennt man, dass die verbrauchte Energie in der dritten Potenz von der Drehzahl abhängt. Es ist also ein ganzer Batzen Energie, den man sich so sparen kann.“ Ferner wurden in der gesamten Anlage hocheffiziente Rotationswärmetauscher mit Wirkungsgraden um die 70% aus Heimer-interner Produktion verbaut. „Klar muss man dafür erstmal mehr Geld in die Hand nehmen. Aber grob gerechnet amortisiert sich das schon nach 1,5 Jahren“, schätzt Rhode. Auch bei der Druckluftversorgung wurde auf Energieeffizienz geachtet. So sind E4-Motoren von UCD installiert, die geringe Verbräuche aufweisen. Die Hallenbeleuchtung ist durch die Nutzung von LED-Lampen ebenfalls energieoptimiert.Bei der Belüftung der Halle wirkt sich ein kleiner Trick nutzbringend aus: Die erwärmte Zuluft wird im oberen Hallenbereich eingeblasen und strömt dann über die Absaugwand aus der Halle. Somit ist die Wärme zur Hallentemperierung nutzbar. „Das geht aber nur, weil in der Halle allein die Oberflächentechnik verortet ist und somit kein Risiko der Partikelverschleppung besteht“, betont Rhode. Und wie geht es jetzt weiter? „Gerade wurde in ein neues Logistikgebäude investiert und wir haben noch weiteres Gelände angekauft. Ideen zur Befüllung des Platzes haben wir genug“, sagt Dr. Philip Stork. Die Artikel-Serie beschreibt in Teil 2 und 3 Details der Vorbehandlung und Roboterapplikation.

Zum Netzwerken:
Hans Stork Betriebsgesellschaft mbH, Dortmund, Dr. Philip Stork, Tel. +49 231 55 903-0, info@stork-oberflaechentechnik.de, www.stork-oberflaechentechnik.de

Heimer Lackieranlagen und Industrielufttechnik GmbH & Co. KG, Bielefeld, Markus Rhode, Tel +49 5205 9813-46, m.rhode@heimer.de, www.heimer.de

Reiter GmbH + Co. KG Oberflächentechnik, Winnenden, Matthias Holzwarth, Tel. +49 7195 185-47, mholzwarth@reiter-oft.de, www.reiter-oft.de

Henkel AG & Co. KGaA, Düsseldorf, Andreas Maslowski, Tel. +49 151 6801 1954, andreas.maslowski@henkel.com, www.henkel.com, www.bonderite.com

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