Umweltgerechter Schutz

In einem neuen Forschungsvorhaben untersucht das Fraunhofer IPA im Verbund mit weiteren Instituten und Industrieunternehmen neue Chrom (VI)-freie Grundierungen auf ihre Leistungsfähigkeit. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Korrosionsschutzwirkung, aber auch grundsätzliche Eigenschaften, wie Haftfestigkeit oder Chemikalienbeständigkeit werden geprüft.

Übersicht der Beschichtungen (B1 bis B6) und der Substrate (S1 bis S6). Foto: Fraunhofer IPA -

Besondere Aktualität erhält das Forschungsvorhaben aufgrund der Einschränkung der Verwendung von Strontiumchromaten nach TRGS 602, da diese als CMR–Stoffe (kanzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) eingestuft wurden. Um die Anforderungen an Arbeitssicherheit und Umweltstandards zu erfüllen, sind diese Grundierungen bis 2022 durch Chrom (VI)-freie Alternativen zu er­setzen. Betroffen davon sind unter anderem Fahrwerke, Fahrwerksgehäuse und Rad­achsen für Flugzeuge. Diese werden überwiegend aus hochfesten Stählen und hochfesten Aluminiumlegierungen hergestellt. Zur Sicherstellung eines guten Korrosionsschutzes werden diese Werkstoffe materialspezifisch vorbehandelt und anschließend beschichtet. Die hochfesten Stähle werden kadmiert und gelbchromatiert oder z.T. auch mit Zink-Nickel (Cr)-frei passiviert. Aluminiumlegierungen werden anodisiert nach dem Chromsäure-, Schwefelsäure- und Weinsäureverfahren oder chromatiert (Chrom(VI)-Verbindungen). Die Anforderungen an die Werkstoffe und Vorbehandlungen sind in verschiedenen Luftfahrtstandards und Werksnormen festgelegt. Der Beschichtungsaufbau der Flugzeugfahrwerke auf vorbehandelten Metallsubstraten besteht entsprechend dem Stand der Technik aus einer Grundbeschichtung (Primer) und einer Deckbeschichtung.

Stand der Technik

Die Grundbeschichtungsstoffe basieren meist auf einem 2K-Epoxid-Amin-Bindemittel und enthalten Strontiumchromat als aktives Korrosionsschutzpigment. Diese Primer fungieren einerseits als Haftvermittler zur vorbehandelten Werkstoffoberfläche sowie zum Deckbeschich­tungssystem und sind andererseits als Funktionsschichten verantwortlich für den Korrosionsschutz des Gesamtaufbaus. Die Grundbeschichtungsstoffe werden je nach Anwendungsgebiet in Trockenschichtdicken von 15-30 µm durch Spritzapplikation aufgebracht. Die Deckbeschichtungsstoffe werden auf die getrocknete Grundierung appliziert. Diese Grundierungen stehen nun im Fokus der Untersuchungen.

Auswahl alternativer Grundierungen

Eine der neuen Grundierungen auf den getesteten Substraten S1 bis S6 nach einer Belastung von 1000 h mit neutralem Salzsprühnebeltest (DIN EN ISO 9227): Prüfung der Haftfestigkeit (Gitterschnitt) und Unterwanderung am Ritz.

Eine der neuen Grundierungen auf den getesteten Substraten S1 bis S6 nach einer Belastung von 1000 h mit neutralem Salzsprühnebeltest (DIN EN ISO 9227): Prüfung der Haftfestigkeit (Gitterschnitt) und Unterwanderung am Ritz.

Zunächst wurden alternative, chromatfreie, kommerziell erhältliche Grundbeschichtungsstoffe ausgewählt, um deren Performance auf die strengen Anforderungen im Flugzeugbau hin zu überprüfen. Der Fokus lag auf umweltfreundlichen Lacksystemen, wie z.B. wasserbasierten oder High-Solid-Beschichtungsstoffen auf 2K-Epoxid­basis, die kostengünstig, res­sourcenschonend und energiesparend applizierbar sind. Die Performance dieser Grundierungen im Beschichtungssystem wurde mit dem IST-Zustand verglichen. Hierzu wurden Stahl- und Aluminiumsubstrate mit den genannten Vorbehandlungen ausgewählt, um einen möglichst großen Bereich an Substraten im Flugzeugbau abzudecken. Insgesamt wurden fünf Grundierungsvarianten plus Standardgrundierung mit einer Schichtdicke von ca. 30 µm auf sechs Substrate appliziert (Bild 1). Diese umfangreichen Beschichtungsvarianten wurden auf ihre Leistungsfähigkeit und Eignung speziell im Hinblick auf Anforderungen des Flugzeugbaus getestet.

Eigenschaftsprüfungen

Neben den in der Tabelle zu­sammengefassten, anwendungstechnischen Eigenschaften der flüssigen Be­schich­­tungsstoffe wurden die Ei­genschaftskennwerte und die grundsätzliche Einsatzfähigkeit der daraus hergestellten Grundbeschichtungen zunächst ohne abschließenden Decklack geprüft. Im Fokus standen dabei ihre Eigenschaften im unbelasteten Zustand wie Haftfestigkeit, Kratzfestigkeit, Elastizität, Farbton, Biegefestigkeit. Weiterhin wurde ihre thermische Beständigkeit gegenüber Einwirkung von Hitze, Kälte, und Temperaturwechseln untersucht  und die Beständigkeit gegenüber Feuchte sowie ihre Korrosionsschutzwirkung in diversen Tests bewertet. Letztlich wurde  die chemische Beständigkeit u.a. gegenüber Hydraulikölen und anderen Schmierstoffen analysiert.Von besonderem Interesse war hier der Korrosionsschutz aufgrund des Ersatzes von Cr(VI)-Aktivpigmenten.

Beschichtungsperformance

Die Korrosionsprüfungen zeigten, dass die neuen Beschichtungen teilweise etwas mehr zur Blasenbildung und Unterwanderung neigen als die derzeitigen Beschichtungen, wobei diese Neigung aber deutlich von der verwendeten Sub­strat / Vorbehandlungs-Paarung abhängt; in Bild 2 ist beispielhaft eine der neuen Beschichtungen auf den Substraten S1 bis S6 nach 1000 h neutralem Salzsprühnebeltest dargestellt. Bei vielen der Haftungsprüfungen zeigte sich, dass die Haftung auf anodisierten und nachfolgend verdichteten Aluminiumsubstraten teils mangelhaft ist, insbesondere nach Belastung durch Kondenswasser oder anderen Korrosionsbelastungen. Die Beschichtungen weisen auf den einzelnen Substrat-Vorbehandlungs-Kombinationen eine sehr unterschiedliche Performance auf. Deshalb muss jede gewählte Beschichtung auf dem jeweiligen Substrat-Vorbehandlungs-Paar entsprechend den Anforderungen geprüft werden. Im nächsten Projektabschnitt ist der Gesamtaufbau mit Decklack analog zu den Grundierungen zu prüfen. Die Grundierungen, die in den Voruntersuchungen die beste Performance zeigten, werden mit verschiedenen Decklacksystemen beschichtet. An diesen Proben erfolgt die Bestimmung  der Eigenschaften des Gesamtsystems und hierbei vor allem der Haftungs- und Korrosionseigenschaften. Eine besondere Rolle kommt der Haftfestigkeit der Deckbeschichtung auf der Grundbeschichtung zu, da es gilt, diese unter sehr hohen und wechselnden Anforderungen der Umgebung aufrecht zu erhalten. Der gesamte Beschichtungsaufbau muss neben dem guten Korrosionsschutz auch den teils extremen Temperaturschwankungen der Luftfahrt widerstehen ohne zu verspröden oder Risse zu entwickeln. Das Forschungsvorhaben wird durch das Clean Sky 2 Joint Undertaking im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 unter der Fördervereinbarung 807083 CS2-AIR-GAM-2018 der EU gefördert.

Zum Netzwerken:

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Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart,
Dr. Michael Hilt, Tel. + 49 711 970-3820, michael.hilt@ipa.fraunhofer.de

Dr. Stefanie Wunder, Tel. +49 711 970-3807, stefanie.wunder@ipa.fraunhofer.de

Dr. Ulrich Christ, Tel. + 49 711 970-3861, ulrich.christ@ipa.fraunhofer.de, www.ipa.fraunhofer.de/beschichtung

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