BASF Interview Uta Holzenkamp
Wie sind Sie zur Position als neue Bereichsleiterin von BASF Coatings gekommen?
Uta Holzenkamp: Das war ein langer Weg, bei dem ich viele Erfahrungen sammeln durfte. Ich hatte gerade mein 25-jähriges Jubiläum bei BASF und habe damals als Chemikerin in der Forschung angefangen und dann in verschiedenen Geschäftsbereichen gearbeitet, wie z.B. Pharma oder auch Papierchemikalien. Nach der Leitung von Strategieteams habe ich dann auch Geschäftsverantwortung übernommen und bin im Laufe der Zeit immer mehr in die Automobilbranche hineingekommen, unter anderem über unser Geschäft mit Benzinadditiven sowie Kühlerschutz- und Bremsflüssigkeiten. Seit Januar darf ich jetzt die Verantwortung für das globale Team bei BASF Coatings übernehmen und weiter mit den bekannten und neuen Kunden aus der Automobilindustrie zusammenarbeiten. Innovation, Nachhaltigkeit und eine inspirierende Kultur im Team waren in meiner Laufbahn immer sehr im Fokus. Daher freue ich mich besonders darauf, die großen Transformationen Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammen mit unserem tollen Team für die Zukunft von BASF Coatings zu gestalten.
Fangen wir mit dem Thema Automobillackierung an, was ja für BASF Coatings der wichtigste Geschäftsbereich ist. Wie verändert aus Ihrer Sicht die Elektromobilität die Automobillackierung?
Holzenkamp: Ich würde noch weiter vorne anfangen. Elektromobilität wurde ja über das Thema Nachhaltigkeit relevant. Und Nachhaltigkeit hat für BASF einen sehr hohen Stellenwert. In unserem Unternehmensclaim sagen wir: „We create chemistry for a sustainable future.“ Elektromobilität ist also nah an unserer Nachhaltigkeitsstrategie bei BASF und dem Unternehmensbereich Coatings.
Wir als BASF haben uns, genau wie viele unserer Kunden, das Ziel gesetzt, bis 2050 CO2-neutral zu werden. Und nun suchen wir Wege, dieses ambitionierte Ziel zu erreichen. Für uns bedeutet Elektromobilität unter anderem, dass es neue Substrate gibt, da man leichtere Autos baut, um die Reichweite zu erhöhen. Hier müssen wir zum Beispiel Lacke anpassen, etwa weil Kunststoffe nicht die hohen Temperaturen vertragen, die man bei klassischen Einbrennprozessen braucht.
Wir entwickeln z.B. Low-Bake-Lacke, die möglichst auf verschiedenen Substraten applizierbar sind. Hinzu kommen andere Themen wie Batteriegehäuse, die lackiert werden müssen und auf die wir natürlich auch schauen. Wir wollen unsere Kunden befähigen, die Elektromobilität auch effizient umzusetzen.
Beim Thema Nachhaltigkeit ist das Thema VOCs ebenfalls wichtig. Welche Entwicklungen sehen Sie hier?
Holzenkamp: Da gibt es viele Ansätze. Wir arbeiten weiter an dem Thema Nachhaltigkeit mit dem Ziel, VOCs weiter zu reduzieren. Für den Autoreparaturlackbereich haben wir kürzlich eine Produktlinie gelauncht, die weltweit alle gesetzlichen Grenzwerte zu VOCs unterschreitet. Mit dieser neuen innovativen Technologie haben wir einen riesigen Schritt gemacht in der Entwicklung.
Wir arbeiten auch an Prozessverbesserungen, um noch nachhaltiger zu werden. Zum Beispiel versuchen wir, integrierte Systeme aufzubringen. Das bedeutet zum Beispiel, dass man Füller und Basislack zusammen appliziert und dadurch einen Prozessschritt spart. Ein anderes Beispiel bei Nutzfahrzeugen ist, wo man Nass-in-Nass Lacke auftragen kann, um sich einen Trockenschritt zu sparen sowie den Prozess zu verschlanken. Bei Einsatz von Ultra-High-Solid-Systemen reduziert man darüber hinaus auch noch die Lösemittelemission.
Wir versuchen zudem mit den Lackschichten immer dünner zu werden, sodass man weniger Material einsetzt, ohne dabei an der Qualität zu sparen.
Automobillacke sind ja schon sehr dünn, es wird spannend zu sehen, ob und wie weit man hier noch runter kann.
Holzenkamp: Trotz des bereits sehr guten Standes gibt es nach wie vor Potenziale, diese Lackierungen noch deutlich nachhaltiger zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist unsere Kooperation mit der Firma Dürr zur Entwicklung der oversprayfreien Lackierung, bei dem der Lack randscharf und ohne Overspray auf die Karosse appliziert wird. Die entsprechende Eliminierung von Lackabfall führt zu einer Reduktion des Materialverbrauches und damit maßgeblich zu einer verbesserten Öko-Effizienz.
Haben Lacke für diese oversprayfreien Methoden spezielle Anforderungen?
Holzenkamp: Da der Lack quasi ohne Lösemittelverlust sehr nass aufgetragen wird, ist eine genaue Anpassung an diesen Prozess erforderlich: der Lack muss unter diesen Rahmenbedingungen läuferstabil sein und gleichzeitig einen sehr guten Verlauf erzielen. Auch muss der Lack so aufgebaut sein, dass dieser die in diesem Prozess eingesetzten, speziellen Düsen – mit Durchmessern so groß wie die eines menschlichen Haares – ohne Verstopfungen passieren kann. Es ist bereits gelungen, diese Technologie bei einem Kunden für die schwarze Kontrastdachlackierungen in Serie zu bringen. Ebenfalls konnten wir bereits zeigen, dass diese Lacke auch in anderen Farben, auch für vertikale Flächen oder komplexere Untergründe eingesetzt werden können. Dies erlaubt unseren Kunden effizientere Lackierprozesse ohne Maskierungsarbeit mit neuen Designoptionen, wie Grafiken. In Zukunft erwarten wir, dass dieser Prozess mit diesen neuen, angepassten Materialien bei weiteren Automobilherstellern zum Einsatz kommen wird – als ein bedeutender Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.
Abgesehen von oversprayfreien Lacken, wie prägt Elektromobilität das Design von Automobillackierungen?
Holzenkamp: Aktuell sind schon noch die unbunten Farben wie weiß, schwarz oder Silber vorne. Wir sehen aber einen zunehmenden Trend Richtung Blau und Rot. Wir haben hier ein tolles Team an Designern, das sich Trends in der Welt über die Automobilindustrie hinaus anschaut und dem aktuellen Zeitgeist nachgeht. Das sieht man auch bei den Farben und das wird dann hierher übersetzt. Blau und Weiß stehen für eine visuelle Übersetzung der Themen Nachhaltigkeit und neue Formen von Mobilität – und sind seit Jahren eine wichtige Größe im globalen Markt.
Der zweite große Trend in der Automobilindustrie ist die Entwicklung selbstfahrender Autos. Welchen Einfluss hat das auf die Lacksysteme?
Holzenkamp: Da gibt es tatsächlich erhöhte Anforderungen bezüglich Radar und Lidar-Sensoren. Beim Radar können Metallicpigmente, also im Wesentlichen die Aluminiumpigmente, stören. Das ist also besonders für Silbertöne ein Thema. Wir können aber unsere Lacke so formulieren, dass das Silber gut aussieht und der Radar trotzdem gut funktioniert. Das wird in Zukunft eine Anforderung sein, dass wir Radarfähigkeit bei der Lackentwicklung immer mitdenken.
Das andere Thema sind die Lidar-Sensoren. Da stört Ruß, was vor allem für dunkle Lacke schwierig ist. Da wird man schon Abstriche machen müssen, weil die Tiefe vom schwarzen Lack dann nicht mehr so gegeben ist, wenn man keinen Ruß verwenden kann. Und auch für Lidar-Sensoren sind Metalliclacke nicht so einfach, insbesondere bei höheren Einfallswinkeln. Um hier gute Lösungen zu entwickeln, arbeiten wir mit der ganzen Wertschöpfungskette, z.B. mit Rohstoff- als auch Sensor- und Messtechnikherstellern, eng zusammen. Nur so lassen sich hier gute Lösungen finden.
Nicht nur Autos werden immer digitaler, sondern auch die Industrie. Welche Rolle spielt das für BASF Coatings als Lackhersteller?
Holzenkamp: Wir sehen hier eine große Transformation und ich bin beeindruckt, wie viel in der Lackiertechnik schon implementiert ist. Eine schöne weitere Entwicklung ist etwa, dass wir Steinschlagtests nicht nur objektiv analysieren können, sondern jetzt auch digital simulieren können. Unser Ziel ist es, dafür einen neuen Industriestandard mit unseren Partnern zu etablieren, der am Ende dafür sorgen soll, dass man weniger Testpaneele beschichten muss und den Großteil simulieren kann.
Spielt die Digitalisierung auch eine Rolle bei der Kommunikation mit Kunden? Bekommen Sie z.B. Daten direkt aus der Applikation?
Holzenkamp: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt schon Kunden, mit denen wir in sehr engem Austausch stehen, wo wir beispielsweise Feedback bekommen, ob in der Applikation der Farbton getroffen wird. Ein anderes Beispiel ist die Logistik. Hier gibt es viele digitale Lösungen, die Just-in-time-Lieferungen einfacher machen und auch das Thema Lagerhaltung beeinflussen.
Wo wir schon über Logistik reden, wie sehr treffen die aktuellen Lieferengpässe eigentlich BASF Coatings?
Holzenkamp: Wir haben natürlich turbulente Jahre hinter uns, die Produktion in der Automobilindustrie ist noch immer deutlich eingeschränkt. Wir erwarten frühestens im zweiten Halbjahr 2022 eine Entspannung. Das erfordert in der ganzen Wertschöpfungskette eine hohe Flexibilität. Man kann schon sagen, dass durch die Coronapandemie die internationale Logistik stark getroffen wurde. Wir waren nicht nur bei der Logistik, sondern auch mit der Verfügbarkeit unserer Rohstoffe betroffen. Die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden hat hier sehr gut funktioniert.
Manche Unternehmen reagieren auf die Lieferkettenproblematik, mit größerer Lagerhaltung. Ist das auch für Sie ein Thema?
Holzenkamp: Dort, wo Lieferketten zu eng getaktet sind, schauen wir uns das schon genau an.
Kommen wir zurück zum Thema Nachhaltigkeit. Eine viel diskutierte Maßnahme ist der Einsatz biobasierter Lacke. Welche Strategie fährt BASF Coatings hier?
Holzenkamp: Wir setzen auf die Biomass-Balance-Methode. Das ist eine Drop-In-Methode, bei der organische Rohstoffe in den regulären chemischen Prozess hinzugefügt werden und man so Produkte erhält, deren Eigenschaften denen regulär hergestellter Produkte genau entsprechen. Das ist ein guter erster Schritt. Das Interesse daran nimmt in den letzten Jahren auch immer weiter zu.
Sind die Kunden bereit, einen Mehrpreis für biobasierte Lacke zu zahlen?
Holzenkamp: Zunehmend ja, auch wenn es regional unterschiedlich ist. Das liegt natürlich auch daran, dass wir uns alle dazu verpflichtet haben, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Wir arbeiten mit unseren Partnern intensiv daran, dass Nachhaltigkeit bezahlbar bleibt. Dazu kommen ja auch noch Themen wie Zirkularität und immer effizienteren Ressourceneinsatz. Wir haben auch noch nicht alle Antworten und setzen auf die Kreativität und Innovationskraft unserer Teams und starke Partnerschaften.
Wie weisen Sie den CO2-Fußabdruck aus?
Holzenkamp: Uns ist wichtig, dass es da einen vergleichbaren und neutralen Standard gibt. Wir lassen unsere Biomass-Balance-Produkte zum Beispiel extern zertifizieren. Und es gibt bisher viele Diskussionen im Rahmen des European Green Deals. Hier stellen wir unser Wissen zur Verfügung, um anderen Branchenteilnehmern und der Politik zu helfen. Außerdem haben wir digitale Lösungen wie SCOTT zur Bestimmung des CO2-Fußabdrucks entwickelt, die wir in der Industrie teilen.
Über Ihr Tochterunternehmen Chemetall sind Sie auch im Bereich der Vorbehandlung aktiv. Welche Entwicklungen sind hier aktuell?
Holzenkamp: Wir haben heute schon nachhaltige Vorbehandlungsprozesse, für unsere Automobilkunden zum Beispiel, die frei von Metallen wie Nickel sind und bei Umgebungstemperaturen laufen. Das spart Energie und vermeidet Abfall. Mit unserer Nickel- und Phosphat-freien „Oxsilan“-Dünnschichttechnologie können wir im Vergleich zu klassischen Vorbehandlungen bis zu 40% CO2, 50% Wasser und bis zu 90% Abfall einsparen. Auch hier spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle.
Zum Netzwerken:
BASF Coatings GmbH, Münster, Jörg Zumkley, Tel. +49 2501 14-3453, joeg.zumkley@basf.com, www.basf.com
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