Zu früh geschliffen

Bei lackierten Türfüllungen traten bei einem Endkunden Blasen in der Beschichtung auf, für die es zunächst keine logische Erklärung gibt. Bei den Türfüllungen handelte es sich um Patten aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) mit einer Hinterschäumung aus Polyurethan. Die Beschichtung der Platten bestand aus einem Zweischichtaufbau mit einer 2K-Grundierung und einem 2K-Decklack. Weiterhin ist bekannt, dass die Grundierung nach der Aushärtung über Nacht angeschliffen wird.

Mit der IR-Spektroskopie zeigte sich -

In der ersten Vermutung wurde angenommen, dass die GFK-Platte vor der Lackierung nicht ausreichend gereinigt wurde. Die Schadensanalyse begann mit einem Mikrotom-Querschnitt durch eine Blase. Auf dem Lichtmikroskopiebild ist zu erkennen, dass die Blase ihren Ursprung im Bereich Grundierung/Decklack hat. Der „Bruch“ zwischen den beiden Schichten war jedoch sehr unregelmäßig. Daher waren weitergehende Untersuchungen notwendig.

Elementmapping

Aus diesem Grund wurde die Probe zusätzlich mit dem Rasterelektronen-Mikrokop untersucht. Schon bei der Begutachtung der REM-Aufnahme wurde deutlich, dass der Bruch bzw. die Blase mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Grundierung liegt. Mit Hilfe eines sogenannten Elementmappings konnte diese Vermutung bestätigt werden. Für dieses Mapping wurde für jede Schicht ein Stoff ausgesucht, der nur in dieser Schicht gefunden werden kann. Für den Substratwerkstoff diente hier Calcium aus dem Füllstoff Calciumcarbonat, für die Grundierung Barium aus dem Füllstoff Bariumsulfat und für den Decklack Titan aus dem Weißpigment Titandioxid. Die Auswertung dieser tiefergehenden Untersuchung bestätigte, dass die Blasenbildung tatsächlich in der Grundierung stattfindet. Die weitergehende Untersuchung des Inneren der Blase mit Hilfe der IR-Spektroskopie zeigte, dass sich dort neben normalen Lackbestandteilen Rückstände eines Alkydharzes finden, die keinem der Lacke zugeordnet werden konnten.

Es gab zunächst keine logische Erklärung für die Blasen auf den Türfüllungen aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

Es gab zunächst keine logische Erklärung für die Blasen auf den Türfüllungen aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

Bei der Besprechung mit dem Beschichter wurden mögliche Varianten der Fehlerentstehung diskutiert:

  • Verunreinigungen in der Grundierung
  • Verunreinigungen, die während des Lackierprozesses in die Grundierung „fielen“
  • Ein zu frühes Anschleifen der noch nicht vollständig ausgehärteten Grundierung

Die dritte Möglichkeit hatte die DFO zunächst ausgeschlossen, da ja niemand eine „weiche“ Grundierung schleifen würde. Im Rahmen der ausführlichen Gespräche mit dem Beschichter wurde jedoch klar, dass man diese Möglichkeit doch nicht ausschließen konnte. Die Aushärtung erfolgte vor Ort bei Raumtemperatur. Der Beschichter berichtete, dass es insbesondere bei kalten Nächten schon einmal passieren könne, dass die Beschichtung noch nicht richtig ausgehärtet sei.

Schleifprozess als Ursache

Die genaue Untersuchung des Schleifprozesses bestätigte die Vermutung. Auch konnte das bei den IR-Messungen gefundene Alkydharz zugeordnet werden. Dieses stammte von den Staubbindetüchern, die zur Entfernung der Schleifstäube verwendet wurden. Sie enthalten eine Sub­stanz, die die Staubbindetücher klebrig macht. Offensichtlich waren durch das zu frühe Anschleifen der Grundierung Verunreinigungen in die Grundierung gelangt, die letztendlich das Fehlerbild verursacht haben. Nach Umstellung des Aushärtungsprozesses trat der Fehler nicht mehr auf.

DIE VERWENDETEN ANALYSENMETHODEN

Lichtmikroskopie & Mikrotom

Üblicherweise beginnt man bei der Defektanalyse mit der lichtmikroskopischen Betrachtung, da das menschliche Auge bei sehr kleinen Partikeln keine ausreichende optische Auflösung mehr erreicht. Die Präparation der entnommenen Beschichtungsproben, erfolgte mit Hilfe eines Rotationsmikrotoms. Dabei werden mit Hilfe eines sehr scharfen Messers, die Beschichtung und das Substrat „scheibchenweise“, bis zur zu untersuchenden Probenstelle abgetragen.

Rasterelektronenmikroskopie (REM) & Energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX)

Das REM nutzt die Wechselwirkung eines Elektronenstrahls mit der Probe als bildgebendes Verfahren. Dabei wird eine deutlich höhere Auflösung und Schärfentiefe als im Lichtmikroskop erreicht. Zusätzlich können Topographie-Unterschiede dargestellt werden. Ein zweiter Detektor ermöglicht es, freigesetzte Röntgenstrahlung energetisch zu analysieren und den verschiedenen Elementen der Probe zuzuordnen. Dies erlaubt z.B. die Untersuchung der Elementverteilung auf einer Oberfläche (Element-Mapping).

IR-Spektroskopie

Molekülschwingungen bei organischen Molekülen werden durch Absorption von Strahlung im infraroten, nicht sichtbaren Bereich des Lichts angeregt. Die Infrarotstrahlung (IR-Strahlung) wird auch als Wärmestrahlung bezeichnet, da sie von der Haut als Wärme empfunden wird. Abhängig vom Aufbau und der Struktur der Moleküle, werden ganz bestimmte Anteile der IR-Strahlung absorbiert. Aufgezeichnet wird die Abhängigkeit der Größe der Absorption des eingestrahlten Lichts von dessen Wellenlänge. Man erhält dabei ein sogenanntes IR-Spektrum (Transmission wird gegen die Wellenzahl aufgetragen). Jedes Molekül bzw. jede Molekülgruppe hat dabei ein für sie charakteristisches IR-Spektrum, das einem „Fingerabdruck“ nahekommt.

Zum Netzwerken:
Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung (DFO) e.V., Neuss, Ernst-Hermann Timmermann, Tel. +49 2131-40811-22, timmermann@dfo-service.de, www.dfo-service.de

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