Die Gretchen-Frage: Stickstoff als Zerstäubergas?
Unabhängig voneinander führten sie auf Grundlage unterschiedlicher Ansätze wissenschaftliche Untersuchungen durch. Dabei standen der Zerstäubungsprozess und die resultierende Beschichtungsqualität im Fokus. Die AOM-Systems GmbH widmete sich in ihren Untersuchungen dem Effekt unterschiedlicher Trägergase auf die Zerstäubung. In den Versuchsreihen kamen Druckluft, Sauerstoff und Stickstoff als Trägergase zum Einsatz. Bei der Analyse bestimmten die Experten mittels Lasermesstechnik die mittlere Tropfengeschwindigkeit und -größe. Der Lackhersteller Axalta analysierte die realisierbare Qualität, die Anwendung selbst sowie das Lackeinsparpotential. Die durchgeführten Versuche erfolgten im firmeneigenen Trainingscenter und simulierten Real-Life-Bedingungen. Bei der Zerstäubung kam sowohl ein Standard-Druckluftzerstäuber als auch die Anwendung mit erwärmtem, ionisierten Stickstoff zum Einsatz. Auf der DFO-Automobiltagung, die im Juni 2018 stattfand, wurden die Untersuchungserkenntnisse präsentiert. In den exklusiven BESSER LACKIEREN-Interviews stellen die Experten die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen vor.
Dr. Meiko Hecker ist der Geschäftsführer der AOM-Systems GmbH. Das Unternehmen entwickelt Spray-, und Tropfenanalyse-methoden von Sprühproduktions-prozessen. Herr Hecker, was war der Initialfunken, der Sie dazu brachte, die Stickstoffzerstäubung genauer zu untersuchen? Wir sind von unseren Kunden immer wieder auf das Thema Stickstoffzerstäubung angesprochen worden. Der zugrunde liegende Effekt warf für uns Fragen auf. Deshalb wollten wir das Thema rein wissenschaftlich beleuchten. Welche Analysen haben Sie dann durchgeführt und warum? Wir wollten wissen, ob das Zerstäuben mit Stickstoff an sich, ohne zusätzliche Ionisierung und ohne erwärmtes Trägergas, ein verändertes Zerstäuberbild ergibt. Zu diesem Zweck haben wir mit demselben Standard-Zerstäuber Sprühversuche (Medium: Wasser) mit den Trägergasen Druckluft, Stickstoff und Druckluft durchgeführt. Mit dem „SpraySpy Modell Saturn“ wurde das Spray hinsichtlich mittlerer Tropfengröße und mittlerer Tropfengeschwindigkeit analysiert. Um eventuelle Effekte einer Sprühkegelveränderung vernachlässigbar zu machen, lag der Messpunkt zentral auf der Sprühachse. Was ist Ihr Fazit aus den Ergebnissen? Mit unserem Messaufbau war kein Unterschied in der Zerstäubung zu messen, egal ob mit Sauerstoff, Druckluft oder Stickstoff als Zerstäubergas gesprüht wurde. Eventuelle Veränderungen im Lackierprozess durch den Einsatz der Komplettanlagen, die Stickstoff als Zerstäubungsmedium nutzen, können daher auf Grund der momentan vorliegenden Datenbasis nicht dem Einsatz des Stickstoffs zugeordnet werden. Vermutlich kommen diese Effekte durch andere Ursachen zustande – beispielsweise die Erwärmung der Medien. Zum Netzwerken: |
Frank Forst ist Technical Manager Refinish Systems bei Axalta. Er koordinierte die Versuche zum qualitativen Ergebnis der Zerstäubung mit Stickstoff, Ionisierung und Erwärmung Herr Forst, warum haben Sie sich als Lackhersteller dazu entschieden, das Verfahren der Stickstoffzerstäubung zu analysieren? Wir wollten uns eine Meinung für unsere Kunden bilden. Als Lackhersteller sind wir für Anwender Ansprechpartner für alle Belange der Beschichtung. Um eine begründete Aussage zu treffen, waren Untersuchungen unter Real-Life-Bedingungen für uns unerlässlich. Welchen Ansatz für Ihre Untersuchungen haben Sie gewählt? Wir wollten die Realsituation simulieren. Dazu haben wir in unserem Trainingcenter Aluplatten und Automobilvorderteile sowie Kunststoffteile beschichtet. Der verwendete Lackaufbau entsprach realen Bedingungen. Aufgebracht wurden die Beschichtungen mit Standard-Zerstäubern unter Standard-Bedingungen sowie mit der marktüblichen Stickstofftechnologie. Für diese stellte der Vertreiber uns ein Gerät zur Verfügung und wies die Mitarbeiter auch ein. Im Fokus unserer Untersuchungen standen die Beschichtungsqualität und die Materialersparnis. Welche Erkenntnisse lieferten die Messungen? Durch die geringeren Lackierdrücke, die zur Zerstäubung mit der Stickstoff-Technologie notwendig sind, war eine Materialersparnis erzielbar. Besonders bei der Beschichtung von Kunststoffen bot die Ionisierung einen Vorteil. Durch die Untergrundentladung lagerten sich weniger Schmutzpartikel ab. Allerdings ergab sich im Finish mit Stickstoff eine rauere Oberfläche auf allen Substraten, was wohl auf das schnellere Antrocknen durch die erwärmte Lackierluft zurückzuführen ist. Dafür gab es eine geringere Läuferneigung. Zum Netzwerken: |
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