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Anbauteile aus Kunststoff elektrostatisch nasslackieren

Ausgehend von der Aufgabenstellung, eine Technologie zu entwickeln, welche die Produktionskosten drastisch senken würde, begann bei Isuzu Motors Japan die Entwicklung einer neuen Applikationstechnologie. Die bisher eingesetzte konventionelle Luftzerstäubung ohne Elektrostatik ersetzte der OEM dabei durch ein neues elektrostatisches Verfahren.

Mit dem neuen elektrostatischen Verfahren lackiert Isuzu in drei Kabinen Anbauteile aus Kunststoff automatisiert mit Robotern. Quelle: Isuzu Motors -

Im Zuge der Modernisierung der Lackierlinien für Anbauteile aus Kunststoff untersuchten die Lackieringenieure bei Isuzu Motors in Fujisawa, Japan, verschiedene Optionen, um die Produktionskosten zu senken:

  • getakteter Prozess vs. kontinuierlicher Prozess
  • Rotationsspritzlackierung (wie bei Mobiltelefonschalen)
  • elektrostatisch unterstützte Luftzerstäubung

Nach verschiedenen Untersuchungen entschied sich das Team um Yoshinobu Tamura, leitender Ingenieur der Lackiererei bei Isuzu, dafür, das elektrostatische Lackieren von nichtleitenden Kunststoffteilen weiter zu verfolgen. Ziele für die Neuentwicklung waren die Zeit für den Lackiervorgang zu verkürzen und den Lackverbrauch zu senken – im Vergleich zu der zuvor eingesetzten Luftzerstäubung ohne elektrostatische Unterstützung. Dazu entwickelte Tamura ein Verfahren, bei dem die Partikel eines niederohmigen Lacks durch Direktaufladung in der Lackierpistole negativ geladen und per Luftzerstäubung appliziert werden. Durch die Aufladung soll der Auftragswirkungsgrad erhöht und damit der Lackverbrauch und die zu lackierende Zeit gesenkt werden. Bei der indirekten Aufladung wird die Betriebsluft z.B. durch Korona-Elektroden ionisiert. Das führt durch Kollision der ionisierten Luft mit dem Lacknebel für eine

Bei ausgeschalteter Zerstäuberluft lässt sich bereits ein Unterschied im Sprühstrahl – hervorgerufen durch die unterschiedliche Aufladung – zwischen einem Lack mit einem Widerstand von etwa 100 MΩcm (oben) und einem niederohmigen Lack mit einem Widerstand von 1 MΩcm (unten) erkennen.

Bei ausgeschalteter Zerstäuberluft lässt sich bereits ein Unterschied im Sprühstrahl – hervorgerufen durch die unterschiedliche Aufladung – zwischen einem Lack mit einem Widerstand von etwa 100 MΩcm (oben) und einem niederohmigen Lack mit einem Widerstand von 1 MΩcm (unten) erkennen.

Aufladung des Lacks. Da es bei der Lackierung von nicht leitenden Substraten teilweise zu Abstoßungen zwischen den negativ geladenen Lackpartikeln und der negativ geladenen Luft kommen kann, verzichtete Tamura auf Korona-Elektroden und die indirekte Aufladung. Die Aufladung erfolgt jetzt direkt in der Lackierpistole über eine Hochspannungselektrode. Hochrotationszerstäuber sind dabei nicht notwendig, die Zerstäubung erfolgt luftunterstützt.

Lack mit geringem spezifischem Widerstand

Ein weiterer wichtiger Punkt in der Entwicklung des Systems war die Auswahl des richtigen Lacksystems. Konventionelle Lacke können einen spezifischen Widerstand von etwa 100  MΩcm aufweisen. Sie sind für die neue elektrostatische Zerstäubung nicht geeignet, da sie sich in der Pistole wie ein nichtleitendes Material verhält. Wird die Korona-Elektrode entfernt und eine hohe Spannung auf die innenliegende Hochspannungselektrode gegeben, läd sich dieser Lack nicht auf (siehe oberes Foto). Niederohmiger Lack mit einem spezifischen Widerstand von 1 MΩcm läd sich hingegen durch das Anlegen einer Spannung – z.B. 60.000 V – auf. Die Hochspannung wird so bis zur Düse geleitet, wo sich der Lack in geladene Partikel zerstäubt (siehe unteres Foto). In diesen Versuchen wurde ohne Zerstäuberluft gearbeitet, um den Effekt der Direktaufladung auf Lacke mit unterschiedlichen spezifischen Widerständen zu zeigen. Die Kombination von Direktaufladung, Lack mit geringem Widerstand und Luftzerstäubung führt also zu dem neuen Applikationsverfahren. Ein besonderer Vorteil des Verfahrens ist der gute Umgriff, durch welchen die Applikationszeit um bis zu 50% verkürzt werden kann. Bei Isuzu verkürzte sich die Zeit von 90 auf 45 sek. Der Umgriff wird hauptsächlich durch die Luftströmung und – je näher der Lacknebel dem Substrat kommt – durch elektrostatische Anziehungskräfte erzeugt. Der hohe Auftragswirkungsgrad sorgt zudem dafür, dass Isuzu den Lackverbrauch um bis zu 35% reduzieren konnte.

Elektrostatische Anziehung für Umgriff nutzen

In ersten Versuchen untersuchte Isuzu den Umgriff anhand der Lackierung von PET-Flaschen mit einem lösemittelbasierten 2K-Urethansystem. Dabei zeigte sich, dass der Umgriff bei dem entwickelten Verfahren die Flasche

Vorteile:

  • Reduzierung der Applikationszeit um bis zu 50% durch guten Umgriff und hohen Auftragswirkungsgrad
  • Reduzierung des Lackverbrauchs um bis zu 35% durch hohen Auftragswirkungsgrad
  • Steigerung der Produktivität um etwa 30% und dadurch Reduzierung der benötigten Lackierkabinen von vier auf drei
  • Verringerung des Risikos der Entstehung von Reibfunken

vollständig umschließt – im Gegensatz zu reiner Luftzerstäubung und elektrostatisch unterstützter Luftzerstäubung. Die Luftströmung transportiert die Lackpartikel, unterstützt durch die elektrostatischen Anziehungskräfte, auf die Flaschenrückseite. Bei der konventionellen Applikation mittels indirekter Aufladung verhindern Abstoßungen zwischen negativ geladener Luft und den Lackpartikeln sowie die elektrischen Feldlinien teilweise den Umgriff. Eine spezielle Vorbehandlung der Kunststoffteile aus ABS bzw. ASA ist grundsätzlich nicht notwendig, es ist aber sinnvoll, eine antistatische Behandlung einzusetzen. Isuzu reinigt die Kunststoffteile vor dem Lackieren mit Isopropylalkohol, dem eine kleine Menge eines Antistatikmittels zugesetzt wird. Das verhindert die statische Aufladung der Bauteile und damit die Anziehung von Staub und anderen Störpartikeln. Isuzu lackiert aktuell Exterieur-Anbauteile für Lkw mit zwei, vier und zehn Tonnen Gewicht, z.B. Kühlergrills und Kotflügel mit dem neuen Verfahren. Die Umstellung erfolgte während der Sommerpause. Dabei wurden die Lackierpistolen der Roboter getauscht, die zuvor eingesetzten Lackierprogramme konnten übernommen werden.  Durch die Verkürzung der Auftragszeit und die damit verbundene Produktivitätssteigerung von 30% konnte die Anzahl der Lackierkabinen von vier auf drei reduziert werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass es durch den eingesetzten Farbversorgungsschlauch zu Streuströmen kommen kann. Im Vergleich zu Wasserlacken ist der Widerstand des eingesetzten Lacks ca. 20x höher, jedoch 100x geringer als bei lösemittelhaltigem Lack, der auf Kunststoffteilen konventionell zum Einsatz kommt. Zur Verhinderung von Streuströmen können z.B. Potenzialtrennsysteme, wie sie bei Wasserlacken verwendet werden, zum Einsatz kommen. Aktuell setzt Isuzu einen 1-coat/1-bake-Prozess mit einem 2K-Urethan-Decklack für die Lackierung der Anbauteile an. Zukünftig soll das Verfahren jedoch auch für einen 3-coat/1-bake-Prozess mit Primer, Basecoat und Clearcoat, z.B. für den Einsatz auf PP-Stoßstangen, zur Verfügung stehen. Das Verfahren soll auch anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Je nach Anforderungen und Bedarf sind dabei Entwicklungen, z.B. in Richtung Hochrotationszerstäuber oder Airless-Spritzen, möglich.

Das Schema zeigt den Aufbau der neuen Lackierpistole, bei welcher der Lack durch die Hochspannungselektrode im Inneren direkt aufgeladen wird – ohne Umweg über eine indirekte Aufladung durch ionisierte Zerstäuberluft. Die geladenen Partikel gelangen durch die Zerstäuberluft zum Bauteil. Quelle (zwei Grafiken, ein Foto): Isuzu

Das Schema zeigt den Aufbau der neuen Lackierpistole, bei welcher der Lack durch die Hochspannungselektrode im Inneren direkt aufgeladen wird – ohne Umweg über eine indirekte Aufladung durch ionisierte Zerstäuberluft. Die geladenen Partikel gelangen durch die Zerstäuberluft zum Bauteil. Quelle (zwei Grafiken, ein Foto): Isuzu

Die Abbildung zeigt Unterschiede zwischen konventioneller (links, Entladestrom 30 µA, Aufbau eines elektrischen Feldes, Entstehung von freien Ionen: Kunststoffteile nicht lackierbar) und neuer elektrostatisch unterstützter Luftzerstäubung (rechts, Entladestrom 7 µA, kein elektrisches Feld, keine freien Ionen: Kunststoffteile lackierbar).

Die Abbildung zeigt Unterschiede zwischen konventioneller (links, Entladestrom 30 µA, Aufbau eines elektrischen Feldes, Entstehung von freien Ionen: Kunststoffteile nicht lackierbar) und neuer elektrostatisch unterstützter Luftzerstäubung (rechts, Entladestrom 7 µA, kein elektrisches Feld, keine freien Ionen: Kunststoffteile lackierbar).

Info

Weitere Informationen zu dem neuen elektrostatischen Lackierverfahren und weiteren Einsatzmöglichkeiten erhalten Sie auf der Fachkonferenz „Strategien der Karosserielackierung“ in dem Vortrag „Innovative elektrostatische Lackierung auf Kunststoffen – Schlanke, grüne, kompakte Kunststofflackierung“ von Yoshinobu Tamura, leitender Ingenieur der Lackiererei bei Isuzu Motors. Die Konferenz findet am 28. und 29. Juni in Berlin statt und zeigt Entwicklungen für die zukunftsfähige Automobillackierung unter den Aspekten  Nachhaltigkeit, Ressourcen und globale Verträglichkeit. Vor dem Hintergrund, nachhaltige und dabei ökonomische sowie hochqualitative Lackierstrategien entwickeln zu müssen, die automobile Oberflächen besonderer Güte auch in Zukunft sicherstellen, treffen sich die Vertreter des global führenden OEM-Netzwerks Automotive Circle International alle zwei Jahre, um innovative Konzepte und die Auswirkungen neuer Strukturen zu diskutieren. Das Programm für die Veranstaltung und weitere Informationen zum Ablauf erhalten Sie unter www.automotive-circle.com

Isuzu Motors Ltd., J-Fujisawa, Yoshinobu Tamura, Tel. +81 466 45-2532, yoshinobu_tamura@notes.isuzu.co.jp, www.isuzu.co.jp

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